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Archiv-Artikel

Endlich kein Dasein mehr als Designierter

Wolfgang Wieland ist seit Samstag nach drei Monaten als Kandidat in spe nun offiziell grüner Spitzenmann für den brandenburgischen Wahlkampf. Beim Landesparteitag in Potsdam stimmten fast 92 Prozent der Delegierten für ihn

Samstagmorgen um halb elf war Wolfgang Wieland endlich jenes Attribut los, das er „nicht unbedingt basisdemokratisch“ nennt. Drei Monate war er designierter Spitzenkandidat der brandenburgischen Grünen für die Landtagswahl am 19. September, jetzt ist er offiziell Spitzenmann. Ein gutes Ergebnis hatte Wieland für die Nominierung beim Landesparteitag in Potsdam gefordert. Heraus kam ein Resultat, das Landeschef Joachim Gessinger „ein fast realsozialistisches“ nannte. Fast 92 Prozent der Delegierten stimmten für ihn – deutlich mehr als für seine mit 73 Prozent gewählte Co-Spitzenkandidatin, die Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm

Bei der Kandidatenaufstellung, waren die Grünen schon fast dort, wo sie am Abend des 19. September nach zehn Jahren Pause sein wollen. Der brandenburgische Landtag am Brauhausberg liegt keine zwei Kilometer vom Tagungsort auf der idyllischen Halbinsel Hermannswerder. 7 Prozent sollen es bei der Wahl werden, was voraussichtlich 6 bis 7 der 88 Parlamentssitze bedeuten würde. Schaffen die Grünen es nur knapp über die Fünfprozentgrenze und kommt auch die FDP in den Landtag, könnte es nur für vier Mandate reichen.

Entsprechend umstritten waren die vordersten Plätze auf der Landesliste – grüne Direktmandate gelten als aussichtslos. Hinter Behm und Wieland setzten sich vorrangig zentrale Macher des Landesverbands durch. Auf der Strecke blieb allerdings Landeschefin Marianne Gehrke, die der Bundesgeschäftsführerin Dorothea Staiger unterlag. Keine Chance hatte die parteilose frühere Polizeipräsidentin von Eberswalde, Uta Leichsenring.

So sehr Wieland sich auch mühte, von Team und gemeinsamer Arbeit mit Co-Spitze Behm zu sprechen, so sehr er es auch von sich wies, Alleinunterhalter zu sein: Der langjährige Berliner Fraktionschef und Ex-Justizsenator brauchte bei seiner Kandidatenrede nur wenige Worte, bis die Delegierten lauter applaudierten und lachten als bei Behms kompletter, wenig mitreißender Vorstellung.

Wielands Hauptthema war sein alter Lieblingsfeind Jörg Schönbohm, einst Berliner Innensenator, seit 1999 als CDU-Chef Minister im gleichen Ressort in Brandenburg. Der mache Stimmung gegen Berlin als Hauptstadt der Schwulen, führe einen Feldzug gegen das Kirchenasyl. Unglaubwürdig nannte es Wieland, wenn Schönbohm jetzt Kreide fresse und den Irakkrieg einen Fehler nenne: „Er wäre doch am liebsten im Jeanne d’Arc-Kostüm mit Angela Merkel dort eingeritten.“ Grünes Wahlziel soll es sein, dass es nach der Wahl keinen Innenminister Schönbohm mehr gibt.

Gleichzeitig forderte Wieland von den Delegierten ein klares Bekenntnis, im Zweifelsfall auch eine SPD-PDS-Koalition zu unterstützen. Wenn es „spitz auf knapp“ stehe, ob Platzeck oder Schönbohm Ministerpräsident werde, dürfe das den Grünen nicht egal sein.

Die nach jetzigem Stand ab Herbst im Landtag vertretenen Grünen zogen Beobachter an: neben einem evangelischen Kirchenoberen auch den brandenburgischen Regierungssprecher Thomas Braune. Offizieller Beobachter eines möglichen Koalitionspartners im Auftag von SPD-Ministerpräsident Platzeck? Nein, nein, privat, als politisch Interessierter, wehrte Braune ab.

Ganz offiziell dabei und in der ersten Reihe saß der komplette Landesvorstand der Berliner Grünen, die mit Wieland ein Urgestein aus den Anfänger der Alternativen Liste (AL) verlieren. Wieland selbst, inzwischen 56, machte bei seiner Nominierung am frühen Samstagmorgen nach 25 Jahren AL und Grüne eine neue Erfahrung: „Ich war ja schon das eine oder andere Mal Kandidat – aber noch nie vor 13 Uhr.“ STEFAN ALBERTI