: Angst vor dem Gespenst
Ministerien und Geheimdienste gegen die „Bedrohung“: Klaus Körners Band „Die rote Gefahr. Antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950 bis 2000“ zeigt Methoden der Agitation von Politikern und Journalisten auf
„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“. Nicht erst diese Sätze Karl Marx‘ und Friedrich Engels aus dem Kommunistischen Manifest lösten eine antikommunistische Propaganda aus: Kaum war die Idee, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“, entworfen, begann die Propaganda gegen die „Diktatur des Proletariats“.
Die Angst vor jenem Gespenst spiegelt sich auch im Gedenken an den 17. Juni 1953 wider. Das mediale Erinnern an den Aufstand vor 50 Jahren changiert zwischen historischer Reflexion und antikommunistischer Propaganda. Schon in jenen Tagen im Juni, betont Klaus Körner, Autor des Bandes Die rote Gefahr. Antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950 bis 2000, stilisierten westliche Politiker die Streik- und Protestbewegung zu einem „Volksaufstand gegen die SED-Herrschaft“. Fortan bildete der 17. Juni ein „Hauptargument in der antikommunistischen Propaganda“.
Über fünf Jahrzehnte operierten Bundesministerien, Geheimdienste und Vereine gegen die „rote Bedrohung“. Das „bevorzugte Hassobjekt der deutschen Politik, Medien und Wissenschaft“ sei aber immer die DDR gewesen. Obwohl der real existierende Sozialismus, die KPD und später DKP in Westdeutschland nie eine mehrheitsfähige Akzeptanz fanden, propagierten Politiker aller Couleur „Freiheit statt Sozialismus“ (CDU) und warnten vor den „rotlackierten Nazis“ (Kurt Schumacher, SPD).
Die Festigung des seit Jahrzehnten in Deutschland verankerten Antikommunismus verlief nach Körner ab 1945 in verschiedenen Phasen. Aber nicht die von Altnazis, Geheimdienstlern und Politikern vorangetriebene Transformation der antibolschewistischen Propaganda zur antikommunistischen Argumentation wird in dem Band vorrangig aufgezeigt, sondern dessen Realisierung in der Politik. Das KPD-Verbot und die Berufsverbote etwa waren nur zwei radikale Optionen, deren Dimension Körner aber kaum skizziert.
Die heißeste Phase der Propaganda war jedoch der Kalte Krieg. Nach dem Niedergang der DDR sei eine ganz neue Phase eingetreten. Dessen Intention formuliert für Körner der SPD-Jurist Rudolf Wassermann deutlich: „Es geht um die Delegitimierung des Systems ... und seiner ideologischen Grundlage“. Inwieweit die „sozialistische“ Realität selbst die Utopie einer freien Gesellschaft diskreditierte, reflektiert Körner indirekt. Die Niederschlagung des 17. Juni 1953, der Mauerbau oder Biermanns Ausbürgerung 1976 werden ausschließlich im Kontext der Funktionalisierung in der Propaganda analysiert. ANDREAS SPEIT
Klaus Körner: Die rote Gefahr. Antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950-2000. Hamburg: Konkret Literatur Verlag 2003, 208 S., 15 Euro. Lesung: morgen, 20 Uhr, Café Libresso, Edmund-Siemers-Allee 1.