Ein Volk, viele Welten

VON MARTINA SCHWIKOWSKI

1. Der Bürgermeister

Grüne Hügel und weiß-lila Cosmos-Blüten ziehen sich den Weg zur Township Tshin entlang. Hier hat sich in den letzten zehn Jahren einiges verändert. Die Straße ist geteert, Geröll und Schlaglöcher sind verschwunden. Wo früher die Wellblechhütte war, in der Meshack Mbambalala mit seiner Mutter und den Geschwistern lebte, steht ein neuer Billigkasten aus grauen Steinmauern.

Drinnen, im einzigen Raum, fährt Mbambalala den Computer runter. Hektisch packt er ein paar Baupläne zusammen und nimmt auf dem Weg zum Auto draußen in der ordentlich umzäunten Vorgartenparzelle noch einen Schluck aus dem neu installierten Wasserhahn. Die Zeit drängt, der Bürgermeister muss in eine Besprechung. Seit 1995 ist Meshack Mbambalala Gemeindeoberhaupt in Ventersdorp.

Die kleine Stadt im Nordwesten Südafrikas ist die Heimat von Eugene Terreblanche, dem Rechtsradikalen von der burischen „Afrikaaner-Weerstandsbeweging“, der 1994 kurz vor den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika mit Bombenanschlägen für Unruhe sorgte. Als Mbambalala der für den ANC antrat, hier als erster Schwarzer Bürgermeister wurde, hatte Nelson Mandela gerade seit einem Jahr die weiße Minderheitenregierung in Südafrika abgelöst und die Apartheid beendet. Der neue Chef hatte keinen blassen Schimmer, was ihm im „Raadsaal“ bevorstand.

„Am Anfang gab es Leute, die nicht neben mir sitzen oder mich nicht grüßen wollten“, erinnert sich der Bürgermeister heute. Selbstbewusst fügt er hinzu: „Doch sie hatten keine Wahl. Wir haben sie in den Prozess des Wandels mit einbezogen.“ 40.000 Einwohner hat Ventersdorp, davon 2.000 Weiße. „Wir respektieren uns“, sagt Mbambalala. „In den Köpfen hat sich vielleicht noch nicht so viel geändert. Aber viele Weiße geben zu, dass ihr System falsch war. Unsere Kulturen sind unterschiedlich, aber wir leben friedlich nebeneinander.“ Die viel zitierte südafrikanische Regenbogengesellschaft gibt es, findet er, aber „die Farben mischen sich nicht“.

Doch das erwartet ohnehin niemand. Sorge bereitet den Leuten eher die hohe Arbeitslosigkeit: 78 Prozent in Ventersdorp. Die Goldminen der Umgebung entlassen Arbeiter, die Farmen auch. So müssen Weiße und Schwarze in der Gemeindeverwaltung zusammenarbeiten.

„Wir wollen den Lebensstandard der Armen verbessern“: Das sagt nicht der schwarze Bürgermeister, sondern der weiße Verwaltungschef Pierre Terblanche. In Ventersdorp hat Südafrikas ANC-Regierung fast 6.000 einfache Häuser für die Armen gebaut. Es gibt Strom, Frauen und Kinder müssen nicht mehr kilometerweit laufen, um mit Wasser gefüllte Kanister auf den Köpfen nach Hause zu tragen. Keine Regierung der Welt habe in so kurzer Zeit mehr für ihr Volk getan, meint Terblanche, der schon unter der Nationalen Partei für die Stadt arbeitete. Er ist zufrieden: „Der Wechsel ist gut gelaufen, weil die Schwarzen die Weißen nicht rausgeworfen haben.“

Angst vor der Zukunft haben die Weißen nicht, erklärt Schuldirektorin Lynette Cooke beim Sportfest der „Hoerskool“, der Höheren Schule von Ventersdorp: „Wir lernen uns jetzt langsam kennen.“ Am Fest nehmen schwarze und weiße Jugendliche gleichermaßen teil. Schwarze Jungs bevorzugen Fußball, weiße Rugby. Aber bei den Netzballteams der Mädchen rasen weiße, braune und schwarze Spielerinnen über den Platz.

2. Die Aufsteigerin

Der gläserne Pavillon mit BMW-Luxuskarossen an der Commissioner Street im rauen Downtown Johannesburg, setzt ein unmissverständliches Zeichen: Aufsteiger fahren BMW. BMW hat in Südafrika den größten Marktanteil. Die Statussymbole der schwarzen Mittel- und Oberschicht sind der Augapfel ihrer Besitzer, das Nummernschild mit ihren Initialen oder Vornamen personifiziert.

Das erste BMW-Geschäft in schwarzer Unternehmerhand hat vor fünf Monaten in Downtown eröffnet. Dort, wo um die Ecke gerade der berühmte Jazzmusiker Gito Baloi ermordet wurde, was Südafrika kurz vor den Wahlen wieder schmerzlich daran erinnerte, dass die Gesellschaft von Gewalt durchdrungen ist. Doch die drei jungen schwarzen Inhaber der BMW-Agentur, die in Deutschland Marketing studiert haben, predigen ein visionäres Konzept: „Ein neuer ‚Vibe‘ setzt sich durch“, beteuert Firmendirektor Ciko Thomas. „Einige der größten Firmen, Minenunternehmer und Banken der Welt sind in dieser Straße ansässig. Johannesburg befindet sich auf dem Weg nach oben.“

Lindi Dlamini hat eine Schwäche für schnelle Autos, die zeigt sie auch in ihren Verkaufsgesprächen im BMW-Pavillon. Die 27-Jährige aus Soweto war die erste schwarze Frau Südafrikas, die Autorennen fuhr. „Ich bin ein Adrenalin-Junkie,“ sagt sie. Ihr Ziel: „Ich will alles erreichen.“

Abends geht Dlamini mit ihren weißen und schwarzen Freunden aus: in Soweto, ins schicke Sandton oder nach Melrose Arch, dem neuen Buppie-(black yuppie)-Viertel, zum Tanzen im „Kilimanjaro“, einem Club, der hohe Eintrittspreise und Designerkleidung zelebriert. „Wir schauen nicht nach den Farben“, sagt Lindi. „Das ist phänomenal in meiner Generation.“

Hinter dem Aufsteigertum steckt eine Geschichte. Vorher arbeitete sie in einer weißen Firma als PR-Assistentin – ein hart verdientes Brot. Lindi Dlamini ist allein erziehende Mutter, ihr Ehemann wurde getötet. „Das Leben geht weiter“, sagt sie. Ihre Kinder sind fünf und drei. „Die lernen schon von uns. Sie spielen mit weißen Kindern und werden gar nicht mehr über Hautfarben nachdenken.“

So wie sie könne jeder den Aufstieg schaffen, glaubt sie, auch ohne Quotenregelung. Viele Menschen seien unterprivilegiert, aber viele einfach faul. „Es gibt keine Entschuldigung. Man kann sich immer hocharbeiten. Jeder hat die Wahl.“ Laut Umfragen des Instituts für Rassenbeziehungen gaben nur 5 Prozent der Befragten Rassismus im täglichen Leben als Problem an.

3. Die Utopie

Sauer Street, Downtown Johannesburg 1995. Im grauen, hohen Zeitungsgebäude von The Star, Südafrikas größter Tageszeitung, arbeiteten seit kurzer Zeit auch schwarze Journalisten. Justice Malala begann dort, ein 23-Jähriger aus einer Township bei Pretoria. Jetzt ist er Redaktionsleiter der neuen Tageszeitung This Day, südafrikanischer Ableger eines Blattes aus Nigeria. Den Traum, eine eigene Zeitung zu gründen, träumte er damals mit seinen beiden schwarzen Kollegen beim Star. Alle drei leiten heute große Zeitungen.

Malala wollte eigentlich Schriftsteller werden. Als Jugendlicher arbeitete er als Gartenjunge. Abends verschlang er die Bücher, die er von seinem weißen Boss geschenkt bekam, bei Kerzenlicht. Und er schrieb seine erste Kurzgeschichte über seine Mutter Sylvia, die mit über 55 Jahren begann, Englisch zu lernen. Sein Gehalt beim Star musste für die Mutter, drei Geschwister und zwei Neffen reichen.

Heute wohnt auch Malala mit seiner Familie in einer der besten Gegenden Johannesburgs, in Parkview, hinter hohen Mauern mit einem elektrischen Zaun. „Vor zehn Jahren waren die Schwarzen nur Gärtner und Hausmädchen“, bilanziert er. „Inzwischen haben sich eine Handvoll schwarze Hauseigentümer hier angesiedelt.“ In New Eersterus gibt es jetzt auch Strom und fließendes Wasser. „Unsere Brüder wurden wegen Arbeitslosigkeit gewalttätig, unsere Schwestern mit 14 Jahren schwanger. Heute kann ich Kredite aufnehmen und Geschäftsanteile kaufen. Wir leben in einem Land, in dem Demokratie so selbstverständlich geworden ist, dass wir die ersten Wahlen 1994, die langen Schlangen vor den Wahllokalen, den Enthusiasmus kaum noch nachvollziehen können – das alles hat sich normalisiert.“

Als Justice in den ersten Jahren nach der Wende in seiner spartanisch eingerichteten Wohnung in einem Häuserblock in Yeoville lebte, einem Viertel mit weißen und schwarzen Künstlern, Schriftstellern, Studenten und Alternativen, erschien das Leben aus europäischer Sicht gar nicht fremd. Yeoville, das Viertel ehemaliger jüdischer Einwanderer in Johannesburg, beheimatete seit Ende der 80er-Jahre die Freidenker. Anfang der 90er-Jahre dann, als die Reformen begannen, ließen sich viele zurückkehrende Exilanten in Yeoville nieder. Die Kneipen und Bars in Rockey Street hatten sich schon lange den Alkoholverboten widersetzt, und die Szene vergnügte sich. Im „Tandoors“ in Yeoville und im legendären Jazzclub „Kippies“ in Downtown spielten fast jeden Abend berühmte Musiker.

Im benachbarten dicht besiedelten Hillbrow zogen mehr und mehr Immigranten aus anderen Ländern Afrikas ein, brachten ihre Musik mit und boten Neues für diejenigen, die neugierig auf die verborgene Kultur der eingewanderten Brüder waren. Aufbruchstimmung war zu spüren, Optimismus auf der Suche nach neuen, unbekannten Wegen. Es war die Zeit der Euphorie der Befreiung, gleichzeitig mit Ungewissheit und Unsicherheit verbunden. Nirgendwo gab es ein Entkommen von den lebhaften politischen Debatten, wie sich die Zukunft gestaltet und wo und wie Schwarze und Weiße ihren Platz und ihre Identität finden werden. Richtig vorstellen konnte sich niemand, was kommen würde. Radikale junge Schwarze wollten es den Weißen endlich zeigen. Nachdenklichere Charaktere hofften auf Akzeptanz der Situation im alltäglichen Umgang mit den Weißen und schmiedeten Pläne für sich selbst.

Und dann kamen die Jahre der Aufarbeitung und Versöhnung. Die Anhörungen der Wahrheitskommission sorgten für tiefe emotionale Auseinandersetzungen. Die Schlaglichter bleiben in Erinnerung: der Vorsitzende, Erzbischof Desmond Tutu, der angesichts der Foltergeschichten des weißen Regimes den Kopf auf die Arme legte und weinte. Die arrogante Winnie Mandela, die nur auf Tutus beharrliches Bitten „sorry“ für ihre Untaten während des Freiheitskampfes sagen konnte. Und ein entfremdetes Heldenpaar in Scheidung im Gericht: Bei Mandelas Trennung von seiner Ehefrau Winnie war die Anspannung und die Enttäuschung im Gerichtssaal in der Johannesburger Innenstadt fühlbar. Sie schauten sich kaum an, und ein einsamer Mann schritt hoch erhobenen Hauptes, aber tief verletzt aus dem Saal.

Und der täglich sichtbare Schmerz zusammenbrechender Opfer, die ihre Schicksale der Weltöffentlichkeit mitteilen. Für viele dieser Menschen ist Versöhnung an der Oberfläche geblieben. In ihrem Alltag hat sich wenig geändert. Reparationen blieben weitgehend aus.

Damals wurde Yeoville lebensgefährlich. Einbrüche, Raub, Mord – die Berichte im Freundeskreis häuften sich. Es begann der Umzug der Szene in die weißen Viertel im Norden der Stadt. Heute ist das einstige Kultviertel und das angrenzende Hillbrow ausschließlich afrikanisch, legale und illegale Einwanderer aus den Nachbarländern haben es übernommen, mit ihren Banden und Slumlords. Fremdenhass gegenüber Afrikanern schwoll bei den schwarzen Südafrikanern an. Sie bezichtigen ihre schwarzen Brüder der Gewalt, des Diebstahls ihrer Frauen und Arbeitsstellen. Doch andernorts haben sich neue Orte der Begegnung gebildet. Es gibt Schwarze, die in weiße Wohngegenden ziehen, ohne dass deswegen die weißen Nachbarn fortziehen.

4. Der Unzufriedene

Peter Brooke (Name geändert) sitzt in seiner kleinen Küche in dem bürgerlichen Wohnviertel Gardens in Johannesburg. Wenn der ruhige weiße Vierzigjährige über Apartheid-Südafrika redet, zieht er Parallelen zu Nazi-Deutschland, zum Beispiel das Pflichttraining in der „Feldschule“, die ihn an die Hitlerjugend erinnerte. Sein Vater war ein Liberaler, der dem Regime ein Dorn im Auge war und seine Firma verlassen musste. Brooke wuchs auf mit politischen Debatten und „verbotenen“ Gästen beim Abendbrot. In katholischen Kirchenorganisationen als Student öffnete er sich für den ANC-Kampf. In den 80er-Jahren setzte er für die „Befreiung“ sein Leben aufs Spiel: Er arbeitete im Untergrund, warb Schwarze für den ANC an, besorgte Schwarzen Zugang zu militärischem Training. Ab 1986, zu den Hochzeiten des Widerstandes in den Townships, trug er die ANC-Mitgliedskarte.

Nach zwei Jahren hatte er genug. „Je tiefer ich drinsteckte, desto mehr beobachtete ich die Manipulation von Leuten und den Zustrom derjenigen, die einfach persönliche Macht wollten.“ Die 1994 an die Macht gekommene Regierung bereichere sich bloß. „Wo bleiben diejenigen auf der unteren sozialen Stufe?“

Brooke ist Anwalt. Bei weißen Firmen zu Apartheidzeiten fand er keine Arbeit, da er nicht im Militär gedient hatte. Die neue schwarze Regierung wies ihn ebenfalls ab. Er machte sich selbstständig. Nun sorgt er sich um die Zukunft seiner Kinder in einem Land, das „von der schwarzen kapitalistischen Elite regiert wird, anstatt einem mehr sozialen Aufbau der Gesellschaft zu folgen“.

Eine gemeinsame Zukunft für Weiß und Schwarz sieht der Anwalt nicht. Die geraubten Ideale der Linken nagen an seinem Wohlbefinden. Globalisierung, freie Marktwirtschaft und Wettbewerb – ist das das neue Südafrika? In Brookes Enttäuschung mischt sich Verbitterung. Mandela? „Ein Frauenheld, der undiszipliniert war und deshalb gefasst wurde.“ Ja, die Jahre im Gefängnis hätten ihn reifen lassen, aber er zähle dennoch zur paternalistischen Elite, käme sogar aus einem Königshaus. Diese Politiker und diejenigen, die aus dem Exil kamen – wie Thabo Mbeki, der Präsident –, hätten andere politische Ziele, als die Bewegung, für die er gekämpft habe. „Das sind Heuchler.“

5. Errungenschaften

Millicent Zondi hat die Hoffnungen nicht aufgegeben. Die 85-Jährige wohnt in Soweto in ihrem einfachen Haus, die Möbel sind zerschlissen. Doch sie zeigt mit dem Daumen nach oben: „Ich bin zuversichtlich. Mbeki ist noch jung. Jetzt muss er Arbeit schaffen. Es wird dauern, aber der ANC hat uns viel gebracht.“

Was er der ehemaligen Krankenschwester gebracht hat, sind 700 Rand Pension pro Monat. Der Strom ist abgeschaltet, weil das Geld ausgegangen ist, das Essen ist knapp. Ihr Mann starb vor vierzig Jahren als ANC-Kämpfer in Botswana, ihr einziger Sohn ist schwerbehindert. Unterstützung gibt es nicht. Aber der Frieden, das Wahlrecht, das sind unbezahlbare Verbesserungen. „Ich habe nicht geglaubt, dass ich noch die erste freie Wahl erleben darf“, sagt sie. Nun hat sie gerade zum dritten Mal ihre Stimme abgegeben. „Ja, wir sind eine Nation und arbeiten weiter daran. Den Weißen, denen haben wir vergeben. Wir sind alle nur Menschen. Aber wir haben nicht vergessen.“

Die alte Frau erinnert sich an die 50er-Jahre, als sie trotz Verbots für Schwarze nachts in Johannesburg mit den Fotografen von Drum umherzog, um die schwarzen Covergirls der neuen Zeitschrift modisch zu kleiden. Das Magazin zog bis in die 70er-Jahre schwarze Leser an in Massen mit seinen Berichten über Musik und Politik. Jürgen Schadeberg, der junge Berliner, arbeitete als Cheffotograf bei Drum – heute sind seine Fotoausstellungen Zeugnisse der südafrikanischen Township-Kultur. „Er kaufte den Jungs Getränke, und wir tanzten auf Teufel komm raus. Das waren gute Zeiten“, zwinkert Millicent und nimmt noch einen Schluck Bier. Nelson Mandela wohnte in ihrer Nachbarschaft. Seine Reden sind ihr im Gedächtnis geblieben. „Er wird alt“, sorgt sich die 85-Jährige.

Soweto, die größte Township Südafrikas, hat etwas vom Aufwind zu spüren bekommen. Straßenschilder gibt es, Müllabfuhr, Wasser, Elektrizität. Eine neue Urbanität in der ehemaligen Schlafstadt für Schwarze. Aber das ist die Ausnahme. Die Masse bleibt arm, die meisten dicht besiedelten Townships sind Brutstätten für Gewalt. Knapp die Hälfte aller Südafrikaner lebt unter der Armutsgrenze. Suppenküchen für die Hungernden. Stabilität füllt den Magen nicht.

6. Alles oder nichts

„Es geht um alles oder nichts für diese Regierung“, sagt Mbambalala. Der Bürgermeister Ventersdorps schaut nach vorn. Zusammen mit den Weißen. „Sie sollen uns ihr Wissen geben“, erklärt er. „Wir wollen gar nicht ihr Geld.“ Er hat selbst einen inneren Wandel erlebt und ist an seiner Aufgabe gewachsen. Es waren turbulente Jahre. Er bekam Todesdrohungen. Aber es traf seinen Vertreter – der wurde erschossen, als Mbambalala im Bildungsurlaub war.

Jetzt genießt Mbambalala das Privileg seines Amtes, die Popularität. Er schüttelt Hände, scherzt und grüßt auf den Straßen. Vor Jahren radelte er noch aus der Township ins Amt. Inzwischen hat er einen Fahrer und ein Handy, das ständig klingelt.

1995, bei meinem ersten Besuch in Ventersdorp, erzählte mir Mbambalala: „Als ich aufwuchs, bedauerte ich, schwarz zu sein. Warum hat Gott mich schwarz gemacht, fragte ich. Alle guten Dinge gehören den Weißen, und wäre ich weiß, würde ich Mercedes-Benz fahren. Aber dann hörte ich Bob Marleys Musik. Das hat meine Gedanken verändert.“ Bis heute hängt sein altes Marley-Plakat aus der Wellblechhütte in seinem Haus. Sein wirklicher Held ist jedoch Steve Biko, der Führer der Black Consciousness-Bewegung, der während der Apartheid zu Tode gefoltert wurde. „Ich hörte davon im Radio, als ich noch ein Junge war, und ich habe die Weißen gehasst. Sie waren alle Monster.“

In wenigen Wochen wird Eugene Terreblanche, der Rechtsradikale, aus dem Gefängnis entlassen. Er will nach Ventersdorp zurückkehren. Es wird wohl eine Begrüßungsfeier geben, sagt Mbambalala: „Ich glaube, ich kann ihn willkommen heißen.“