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Archiv-Artikel

Der Freund der Harpunen

„Walfang – warum nicht?“ Clemens Jank sammelt Harpunen und kämpft für die letzten Walfänger. Von der heute in Berlin beginnenden Internationalen Walfangkonferenz erwartet er wenig Gutes

von TOBIAS ASMUTH

Kein schlechtes Gewissen. Fehlanzeige. Warum auch, schließlich ist der Pottwal schon ein halbes Jahrhundert tot. Bequem ist es trotzdem nicht, auf einem Hocker aus seinem Wirbelknochen zu sitzen. Man macht einen Buckel, die Arme auf den Knien, ein bisschen hockt man wie auf der Auswechselbank beim Sport. Was praktisch ist, weil man sowieso immer wieder aufsteht. Denn in der Wohnung von Clemens Jank gibt es vieles, was man sehen, berühren, riechen soll: Da sind das Schulterblatt vom Blauwal, der Grindwalschädel, die Kämme und Schirme aus Barten, die Seifen und Walöle, der Aschenbecher aus der Walfangflotte von Onassis und schließlich die Harpunen aus Japan, Norwegen und von den Azoren, wo der Walfang als archaischer Kampf Mann gegen Wal gefeiert wurde.

Aus der Anleitung für Penthrit-Harpunen: Die Sprenggranate wird vorne auf die Harpune aufgeschraubt. Durch einen mit einem Seil verbundenen Widerhaken wird die Granate ausgelöst, wenn sie vierzig Zentimeter tief in den Walkörper eingedrungen ist …

Über hundert Artefakte, 700 Bücher, ein Dutzend Schiffsmodelle, alte Stiche mit dramatischen Walfangszenen, vergilbte Fotografien bärtiger Walfänger, Aktien von Reedereien umfasst Janks Sammlung. Die kleine Wohnung erinnert ein bisschen an einen voll gestellten Schrein, der den Giganten der Tiefe huldigt und den Seeleuten geweiht ist, die zur Jagd aufs Meer hinausfahren. „Das ist sicherlich eine der größten privaten Sammlungen zum Walfang in Deutschland“, berichtet Clemens Jank knapp. Dabei wirkt er nicht stolz. Es ist einfach eine Feststellung. Der Walfang, das ist nun mal die Leidenschaft seines Lebens.

Für eine Leidenschaft kämpft man. Und so sammelt Jank nicht nur die Hinterlassenschaften eines sterbenden, tausend Jahre alten Berufs, er will auch seine Wahrheit erzählen. „Walfänger sind Menschen“, sagt er leise, keine nekrophilen Bestien, die gerne im Blut waten. Seine Feinde sind die Großstadtökologen, die noch nie auf einem Schiff gewesen seien, die Greenpeace-Idealisten, denen der Zwergwal wichtiger sei als das Leben der letzten 120 Walfangfamilien auf den Lofoten. Er nennt die Umweltschützer Walknutscher.

Jank ist schlank, groß, er trägt Stoffhosen, über die Krawatte schwimmen kleine Wale. Er bleibt stets ein wenig ironisch, wenn er erzählt. Es gibt einen Abstand zwischen dem, was er sagt, und der Art, wie er es sagt: „Walfang – warum nicht?“ Jank lächelt breit, er weiß, das er mit diesem Satz provoziert, aber es ist ihm Ernst damit. Walfang sei kein Verbrechen, sondern harte körperliche Arbeit. Er sagt, er wisse das, seit 1997 vor der deutschen Küste 18 Pottwale gestrandet sind.

Die Behörden suchten damals Menschen, die beim Flensen, dem Abspecken der toten Tiere, helfen konnten. Jank ist sofort von Berlin an die Küste gefahren, im Kofferraum seine langen Flensmesser. Bei den Kadavern hatte schon die Autolyse eingesetzt. Weil der Speck die Verwesungswärme nicht ableitete, sind die Tiere beim Aufschneiden explodiert. In ihrem Magen fand Jank Coladosen, Reifen, Fischernetze.

Der verwendete Sprengstoff „Penthrit“ ist sehr viel wirksamer als Schwarzpulver. Der Wal wird durch die Druckwelle getötet …

Der Wal fasziniert Jank seit seiner Kindheit. Er bewundert seine Größe, das Erhabene, die Schroffheit. Im Verhältnis zwischen Mensch und Wal spiele viel Irrationales eine Rolle: „Früher genossen Walfänger deshalb eine hohes Sozialprestige, heute sind Walschützer die Helden der Umweltbewegung.“ Greenpeace aber habe aus den Riesen des Ozeans Streicheltiere gemacht, die im reinen Umweltgewissen ihre Kuschelecke haben. „Der Kampf gegen den Walfang verkauft sich gut in der Werbung, das bringt Spendengeldern“, meint Jank. Hunderte in einer Bucht auf den Färöern geschlachtete Kleinwale erregten mehr Mitleid als die Millionen toter Tiere in Europas Agrarfabriken. „Der Scheck für Greenpeace ist die moderne Absolution.“ Jank redet nicht schneller, sondern immer noch ruhig. Das Wort, das er häufig benutzt, ist Gerechtigkeit.

Für das International Network for Whaling Research (INWR) wird er in den kommenden Tagen die Internationale Walfangkommission (IWC) beobachten. Die INWR ist ein Forschungsprojekt zum Walfang, für das Kulturwissenschaftler, Historiker und Völkerkundler aus Amerika, Asien und Europa arbeiten. Von der Tagung erwartet Jank nicht viel Gutes. Die Lobby der Umweltschützer werde das Walfangverbot verteidigen und Länder wie Japan oder Norwegen in die Ecke stellen. Das sei nicht gerecht, meint Jank, schließlich gebe es dort eine alte Tradition des Walfangs. In Norwegen steht in den Restaurants die Pizza Moby Dick oder Walgulasch auf der Karte, sagt Jank. Die Jagd auf 500 Zwergwale lösche außerdem den Bestand nicht aus: „Vor dem Tod aber wäre ich lieber ein Wal als ein Rind in einem Massenstall.“

Natürlich sei niemand in der INWR dafür, die alten großen Walfangflotten wieder aufs Meer hinauszuschicken, sagt Jank. Bedrohte Walarten wie die majestätischen Bartenwale sollten auf Generationen unter einem strengen Schutz stehen. „Doch nichts spricht gegen Fangquoten bei Zwergwalen, deren Bestände eine Nutzung vertragen.“ In der Wirklichkeit aber sei selbst der indigene Walfang bedroht. Die Inuit in Alaska oder die Tschukschen in Sibirien leben von den großen Meeressäuger, aber selbst sie müssen um jedes einzelne Tier bei der IWC feilschen.

„Ist das etwa kein Kulturimperialismus?“, fragt Jank unvermittelt. Er erwartet keine Antwort. Der Slogan von Greenpeace hieß schon 1982: „Kein Walfang, jetzt nicht, niemals!“ Irgendwann werden die Walknutscher gewinnen. Jank zuckt mit den Schultern, da ist wieder dieses Lächeln, es signalisiert: Du hast keinen verbohrten Einzelkämpfer vor dir. „Ich bin schon froh, wenn man mich nicht für einen Spinner hält“, sagt Jank.

Ein anderer Mechanismus löst die Sprengung der Granate nach circa fünf Sekunden aus, unabhängig davon, ob das Tier getroffen wurde oder nicht. Dies geschieht aus Gründen der Sicherheit.