: Keine Atempause bis zum 1. Mai
Nicht nur die Polizei sieht einer harten Woche entgegen. OSZE-Konferenz, Feiern zur EU-Erweiterung und Demos rund um den 1. Mai geben sich die Klinke in die Hand. Berlin droht Verkehrschaos
von PLUTONIA PLARRE
Es wird eine harte Woche: OSZE-Konferenz, Staatsbesuche, Feiern zur EU-Erweiterung und als Krönung die Walpurgisnacht und der 1. Mai. Die Uniformen von insgesamt 14.743 im Einsatz befindlichen Polizisten werden ziemlich müffeln, und auch der Gesamteinsatzleiter im Polizeipräsidium, Jürgen Schubert, wird froh sein, wenn er am Sonntag die Beine hochlegen kann. Aber auch für die Normalberliner wird es hart: Sie können sich auf ein Verkehrschaos hoch drei in der Innenstadt einstellen.
Vom Bundeskriminalamt über den Bundesgrenzschutz bis zu Einsatzhundertschaften aus Sachsen-Anhalt und Nordrhein Westfalen – was zu mobilisieren war, wurde mobilisiert. Aber nicht aus dem Bundesgebiet kommt Unterstützung. In der Walpurgisnacht und am 1. Mai werden in Prenzlauer Berg und Kreuzberg neben den Grün-Uniformierten erstmals auch so genannte Interventionskräfte im Einsatz sein. Gemeint sind die auf Jugendgewalt spezialisierten Operativen Gruppen in Zivil, die sich wie ein Schatten an die Fersen gewaltbereiter Kids mit und ohne Migrationshintergrund heften sollen und beim ersten Anzeichen von Krawall zugreifen sollen. Auch mit Platzverweisen und Aufenthaltsverboten, nach dem Prinzip gelbe und rote Karte wie beim Fußball, will die Polizei verstärkt arbeiten.
Die harten Tage beginnen am Mittwoch. Dann startet die zweitägige OSZE-Konferenz über Antisemitismus, an der über 50 Außenminister und Vertreter jüdischer Organisationen teilnehmen, darunter auch US-Außenminister Colin Powell, sein israelischer Kollege Silvan Schalom und der israelische Staatspräsident Mosche Katsav. Auch der Donnerstag wird von der OSZE-Konferenz geprägt sein. Powell und Schalom fliegen an dem Tag ab. Katsav bliebt bis zum Ende der Tagung am Freitag.
Am Freitag kulminieren die Ereignisse mit den Feierlichkeiten zur EU-Erweiterung auf dem Pariser Platz und dem Gendarmenmarkt, an denen viele Regierungschefs anderer Länder teilnehmen. Doch das ist nicht alles. Die Arbeitslosen demonstrieren und die Kommunisten gehen gegen Europa auf die Straße. Am Abend trifft man sich bei der Walpurgisnachtfeier im Mauerpark, wo es schon in den Vorjahren zu Straßenschlachten gekommen ist. Dosen und Flaschen dürfen deshalb nicht zum Fest mitgebracht werden.
Auch am 1. Mai gibt es keine Atempause. Da ist der NPD-Aufmarsch inklusive Gegendemo. Auch der DGB-Aufzug gegen Sozialabbau, so die Einschätzung von Einsatzleiter Schubert, könnte Zündstoff bergen. Um 13 und 16 Uhr wollen die Linken in Kreuzberg demonstrieren, ab 14 Uhr findet dort das große MyFest statt, für das der gesamte Bereich zwischen Oranien- und Lausitzer Platz gesperrt wird. Die traditionelle revolutionäre 1. Mai Demonstration soll daher laut Polizei nun am Wassertorplatz enden. Aus Sicherheitsgründen könne man sie nicht weiter in den Festbereich lassen, verteidigt Schubert die Entscheidung. Notfalls müsse das Verwaltungsgericht entscheiden.
Wie in den Vorjahren wolle man an der Deeskalationsstrategie der ausgestreckten Hand festhalten, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern. Sobald sich Gruppen „zusammenrotteten“ werde man aber sofort eingreifen. Neu am Einsatzkonzept ist nicht nur, dass gewaltbereite Jugendliche von Zivilbeamten unter „Manndeckung“ genommen werden sollen. Wer negativ auffällt – das gilt bereits für die Walpurgisnacht – soll einen Platzverweis bekommen, der auch für den 1. Mai in Kreuzberg SO 36 gilt. Verstöße werden mit Polizeigewahrsam geahndet. Dass man in Kreuzberg wohne, so Schubert, sei kein Entschuldigungsgrund. „Dann muss man eben zu Hause bleiben.“
Auch auf einen verstärkten Einsatz neuer Videotechnik müssen sich Steinewerfer gefasst machen. Die Aufnahmen sollen gleich vor Ort ausgewertet werden, um Straftäter gezielt aus der Menge greifen und dem Staatsanwalt zuführen zu können.