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Archiv-Artikel

Geschenke verteilen alle gern

Bundesfinanzminister Hans Eichel heimst von fast allen Seiten Zustimmung für die Idee einer großen Steuerreform Anfang 2004 ein. Doch wie sie bezahlt werden soll, ist umstritten. Die wichtigste Frage: Welche Subventionen sollen gekürzt werden?

von HANNES KOCH

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat am Wochenende bedingte Unterstützung von der Opposition für seine neue Linie erhalten. „Das Vorziehen der letzten Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2004 ist nur dann möglich, wenn vorher der notwendige Spielraum erarbeitet wurde“, sagte CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Damit plädierte Merkel wie Eichel für einen deutlichen Abbau von Subventionen als Voraussetzung einer großen Steuerreform.

Finanzministerium und Bundeskanzleramt erwägen, den Bundesbürgern zur Belebung der Wirtschaft ab Anfang 2004 bis zu 26 Milliarden Euro an jährlichen Steuern zu erlassen. Das würde entsprechende Einnahmeausfälle bei den staatlichen Haushalten bedeuten. Der Spitzensteuersatz würde in einem Zug von heute 48,5 auf 42 Prozent sinken, der Eingangssteuersatz für Geringverdiener von 19,9 auf 15 Prozent.

Bevor man allerdings darüber reden könne, Steuern zu senken und Subventionen zu kürzen, müsse Rot-Grün die Sanierung der Sozialversicherung auf den Weg bringen, sagte CDU-Chefin Merkel weiter. Dazu gehöre die Zusammenlegung der Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe, die auch Teil der rot-grünen Agenda 2010 ist. Außerdem warnte Merkel davor, die Steuersenkung durch höhere Schulden zu finanzieren. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz unterstützen Merkels Vorbehalt. Finanzminister Eichel hatte am vergangenen Freitag angedeutet, dass er vorübergehend eine höhere Kreditaufnahme erwäge als ursprünglich geplant.

Die steuerpolitische Linie der Union bleibt trotzdem unscharf. Im Unterschied zu Angela Merkel lehnte es der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber ab, die Steuerreform durch Streichung von Steuervergünstigungen zu finanzieren. „Wir stimmen keiner Politik zu, die Steuersenkungen verkündet und dann hintenrum wieder neu abkassiert“, so Stoiber.

Ähnlich äußerte sich auch DGB-Chef Michael Sommer. Es sei richtig, die Steuern auf Lohneinkommen zu senken, um die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zu stärken. Berufspendler dürften aber im Gegenzug nicht mit der Reduzierung der Abschreibung für Fahrten zum Arbeitsplatz bestraft werden, so Sommer.

Auch bei den Grünen nahm die Zahl der bekennenden Steuerreform-Anhänger zu. Zu ihnen gesellten sich Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Parteichef Reinhard Bütikofer. Umweltminister Jürgen Trittin hatte diese Möglichkeit ohnehin als einer der Ersten ins Gespräch gebracht. Die Grünen wissen genau, welche Subventionen sie kürzen wollen: vor allem die umweltschädlichen. Dazu rechnen sie Teile der Eigenheimzulage, der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz und die Steinkohle-Subventionen, die den Bergbau vor allem in Nordrhein-Westfalen am Leben erhalten.

Genau diese Debatte wird wohl die munterste der nächsten Monate: Wo wird wie viel gestrichen? Die Vorstellungen gehen weit auseinander. Die CDU möchte wie die Grünen am liebsten dort streichen, wo es die SPD schmerzt – bei der Steinkohle. Die SPD schlägt zum Leidwesen der Union vor, Vergünstigungen bei den Unternehmen zu reduzieren. Weil man so nicht weiterkommt, macht Michael Rogowski vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) einen praktischen Vorschlag: Die Subventionen sollen jedes Jahr um zehn Prozent gekürzt werden. Unterstellt man den Subventionsbegriff des Finanzministeriums, brächte das etwa 4,5 Milliarden Euro Einsparungen jährlich.