: Streit am Badesee
Nach dem Überfall auf eine Berliner Schulklasse in Brandenburg warnt die Schulverwaltung vor Panikmache. Sonderermittler befragen Zeugen
von PLUTONIA PLARRE
Zwei Tage nach dem Überfall auf eine Berliner Schulklasse im brandenburgischen Kemnitz tappen Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Suche nach den Tätern immer noch im Dunkeln. Auch über das Tatmotiv herrscht Unklarheit. Der Sprecher der Senatsschulverwaltung, Thomas John, warnte indes vor Panikmache: „Wir betrachten den Vorfall als absoluten Einzelfall.“ Es bestehe kein Grund, andere Klassenfahrten ins Umland abzusagen. Rund 6.000 Berliner Schulklassen würden jährlich nach Brandenburg reisen, ohne dass es zu Vorfällen komme.
Es hatte nur ein kurzer Ausflug der 26 Elftklässler des Schöneberger Paul-Natorp Gymnasiums werden sollen. Freitag mit der Eisenbahn hin, Sonntag zurück. Nicht nur wegen des kurzen Anfahrtswegs schien die Ferienanlage „An der Eiche“ in Kemnitz geeignet. Der Wirt sei ausgesprochen nett, man fahre dort schon seit mehreren Jahren mit Klassen hin, sagt ein Pädagoge der Schule.
Am Ankunftstag besuchte die Klasse einen Badesee. Dort soll es zu einem Streit zwischen den Berlinern und einheimischen Jugendlichen gekommen sein. Einzelheiten dazu sind bislang nicht bekannt. Ein Teil der Gruppe schlief bereits, die anderen saßen vor dem Fernseher, als gegen ein Uhr nachts der Überfall geschah. Die Angreifer, rund 15 mit Baseballschlägern und Eisenstangen bewaffnete Personen im geschätzten Alter zwischen 18 und 25 Jahren, drangen nahezu lautlos in den zweistöckigen Bungalow ein und blockierten von innen die Türen. Ein Schüler bekam einen Schlag auf den Kopf. Unter Androhung weiterer Gewalt erpressten sie 60 Euro sowie mehrere Musikabspielgeräte. Danach flüchteten sie in Fahrzeugen.
Die zu Hilfe gerufene Polizei habe sich sehr kooperativ verhalten, berichtet ein Lehrer. Die Beamten seien bis morgens bei den völlig aufgewühlten Schülern geblieben. Auch als sich die verängstigte Gruppe am Samstag zur vorzeitigen Abreise entschloss, gab die Polizei bis zum Bahnhof Begleitschutz.
Mit Unterstützung von Schulpsychologen versuchten die Lehrer des Paul-Natorp-Gymnasiums gestern, mit den Schülern das Geschehen aufzuarbeiten. „Von mehr als zehn gewaltbereiten Typen mit Baseballschlägern bedroht zu werden, das steckt man nicht so einfach weg“, sagt Schulleiter Ulrich Wüsthof. Um zu verhindern, dass jemand mit dem Schock allein zu Hause sitzt, hatte er die betroffenen Schüler, Lehrer und Eltern bereits am Sonntag zu einem Treffen zusammengeholt.
In einer mageren Presseerklärung teilte die Staatsanwaltschaft Potsdam gestern mit, dass bei der Kripo Werder eine dreiköpfige Sonderermittlungsgruppe eingerichtet worden sei, die zurzeit umfangreiche Zeugenbefragungen im Umfeld der Ferienanlage und des Badestrandes durchführe. Aufgrund des Streits am Badesee will das Landeskriminalamt nach Schülerbeschreibungen Phantombilder von den einheimischen Jugendlichen zeichnen – sie kommen eventuell als Täter in Betracht.