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Archiv-Artikel

Goehler wird weggerafft

Adrienne Goehler, Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds, wird entmachtet. Nach Streit um die RAF-Ausstellung ordnen Bund und Land den Fonds neu. Goehler bleibt im Gremium – ohne Stimmrecht

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Es gibt quasi ein weiteres Opfer der RAF: Adrienne Goehler, Ex-Kultursenatorin (parteilos) und Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds. Nach dem politischen Gezänk 2003 um die geplante RAF-Ausstellung der Berliner KunstWerke haben der Bund und das Land Berlin die Aufstellung des Fonds „neu geordnet“. Danach sollen Entscheidungen über die Vergabe von Fördermitteln des Bundes für Berliner Kunstprojekte nicht mehr vom Kuratorium sowie dessen Vorsitzender getroffen werden, sondern zukünftig von einer Kommission mit je zwei Vertretern des Bundes und Berlins. Goehler werde in dem Gremium kein Stimmrecht mehr erhalten, sagte gestern Torsten Wöhlert, Sprecher der Kulturverwaltung. Sie habe als Kuratorin in der Kommission nur noch beratende Funktion.

Während Kritiker diese Entscheidung als klare „Gängelung“ Goehlers und als Retourkutsche auf ihre RAF-Ausstellungs-Förderzusage werteten, sprach die Kulturverwaltung von einem administrativen Akt, den Fonds neu zu strukturieren. Es gebe keine „Lex Goehler“, vielmehr sei die Umstrukturierung im Hauptstadtkulturvertrag mit dem Bund 2003 verabredet worden, so Wöhlert zur taz.

Der Kommission, die über die Vergabe von jährlich 10,3 Millionen Euro berät, gehören in Zukunft André Schmitz von der Senatskanzlei und Kultursenator Thomas Flierl (PDS) an, für den Bund sitzen Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) sowie Staatssekretär Knut Nevermann (SPD) in dem Gremium. Eine Fachjury unter Vorsitz Goehlers trifft zuvor eine Auswahl der Kulturprojekte, über die dann die gemeinsame Kommission „im Konsens“ entscheidet.

Außerdem wurde vereinbart, dass die Tätigkeit des Kurators auf zwei Jahre mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung begrenzt wird. Trotz des Verlusts der Schlüsselposition, so der Sprecher, werde die Kuratorin ihr Amt weiter ausüben. Goehler – unter Rot-Grün 2001 Kultursenatorin – selbst sprach gegenüber grünen Parteifreunden von „Entmachtung“.

Hintergrund der „Entmachtung“ bilden die Querelen um die Förderung der geplanten RAF-Ausstellung in den KunstWerken. Goehler hatte 2003 dem Projekt 100.000 Euro zugesagt. Doch schon beim ersten Konzept zur Wirkung der „Roten Armee- Fraktion“ war es nach Kritik von Angehörigen der Opfer und von Politikern des Landes sowie des Bundes, darunter auch Guido Westerwelle, zu Auseinandersetzungen im Kulturfonds gekommen. Goehler musste zurückziehen, auch die Partner – darunter die Bundeszentrale für politische Bildung – verabschiedeten sich von Berlin. 2004 entschieden die KunstWerke, die RAF-Ausstellung ohne öffentliche Mittel anzugehen. Seither stand Goehler in der Kritik.

Während Weiss und die Kulturverwaltung die Neuordnung des Kulturfonds verteidigten und ihm „schlankere Abläufe und effizientere Wirkungsmöglichkeiten“ zuschreiben, ging die grüne Kulturpolitikerin Alice Ströver damit hart ins Gericht. Zum einen bewertete sie Goehlers Zurückstufung als klares politisches Zeichen gegen deren unabhängige Förderpraxis – auch für das RAF-Projekt.

Zum anderen, so Ströver zur taz, komme die Einrichtung der Kommission einem „kulturpolitischen Offenbarungseid“ für Berlin gleich. Die neue Funktion des Beirats, der einst die Kunstprojekte aussuchte, sei als Fachberatung „quasi obsolet“. Die Kuratorin, die nach der Beratung mit dem Kuratorium entschieden hatte, habe kaum noch Einfluss auf die Förderprojekte. Schließlich übereigne Berlin seine kulturellen Interessen dem Geldgeber – dem Bund. Ströver: „Das ist katastrophal.“