Hadern mit dem Ende der Verkehrswende

Neuausrichtung der grünen Verkehrspolitik hält mancher für zu kurz gedacht – und bangt um die Wähler

BERLIN taz ■ Die Abkehr führender Grünen-Politiker von der Verkehrswende sorgt für Diskussionen in der eigenen Fraktion. Der umweltpolitische Sprecher Winfried Hermann und Fraktionsvize Reinhard Loske bewerteten ein am Freitag veröffentlichtes Positionspapier zur Verkehrspolitik gegenüber der taz als zu stark auf technologische Fragen reduziert. Der verkehrspolitische Sprecher Albert Schmidt bekräftigte hingegen den Abschied von der Verkehrswende.

Zwar habe die Verkehrspolitik Erfolge vorzuweisen. Die angestrebte Wende habe aber nicht stattgefunden, sagte Schmidt, einer der drei Autoren des Papiers. Die Forderung, weniger Auto zu fahren, werde als Angriff auf die eigene Selbstbestimmung verstanden. Deshalb gehe es nun darum, die persönliche Mobilität weiterhin zu ermöglichen.

„Wir erkennen das Bedürfnis des Einzelnen nach Mobilität an“, sagte Fritz Kuhn, der Sprecher der Grünen-Arbeitsgruppe „Arbeit und Wirtschaft“ und Mitautor des Papiers, der taz. Das soll unter anderem durch eine bessere Vernetzung von individuellem und öffentlichem Verkehr geschehen. Zudem soll der Anteil alternativer Kraftstoffe bis 2020 auf 25 Prozent erhöht und der Verbrauch erdölbasierter Kraftstoffe um 40 Prozent gesenkt werden.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Loske bezeichnete dies als „halbierte Verkehrspolitik“. Benzin sparende Autos seien „wichtig, aber nicht alles“. Ihm fehle in dem Beitrag zum Beispiel die Möglichkeit der Politik, durch entsprechendes Raumordungsverfahren Verkehr zu verhindern. Das Papier werde nicht als Beschlussvorlage in die Fraktion eingehen.

Der umweltpolitische Sprecher Winfried Hermann sagte der taz, dass er dem Papier zwar in weiten Teilen zustimme. Er wandte sich aber unter anderem deutlich gegen den von den Autoren als „Lebenslüge“ bezeichneten verkehrspolitischen Widerspruch bei eigenen Mitglieder und Wählern. Diese reisten „gerne und viel“, während gleichzeitig die Verkehrsvermeidung zum Programm erhoben werde, heißt es in dem Papier. „Die große Masse fühlt sich davon beleidigt“, sagte Hermann. Ein solches Verhalten gebe es möglicherweise bei einem kleinen Teil der Funktionäre und der Grünen-Anhänger. Weite Wählerschichten würden aber sehr stark darauf achten, dass in ihrer Familie das Fahrrad oder der öffentliche Personennahverkehr genutzt würden.

Schmidt räumte ein, dass das als Autorenpapier gedachte Konzept die Möglichkeit zur Überspitzung biete und die Debatte anstoßen sollte. „Es schadet nicht, einen Stein ins Wasser zu werfen.“ Auch Kuhn verwies darauf, dass man sich einem wichtigen Ziel der Autoren offenbar angenähert habe: „Die Verkehrspolitik soll wieder ins Zentrum der Diskussionen rücken.“

STEPHAN KOSCH