: Luftkampf um Bsirske
Aktionärsvertreter wollen den Ver.di-Chef aus dem Lufthansa-Aufsichtsrat kicken – er schade dem Konzern
BERLIN taz ■ Sie haben ihren Buhmann gefunden. Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und zugleich Arbeitnehmermitglied und Vizevorsitzender im Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa AG, soll nach dem Willen verschiedener Aktionärsvereinigungen morgen einen Denkzettel verpasst bekommen. Auf der Lufthansa-Hauptversammlung in Köln wollen die Deutsche Schutzgemeinschaft Wertpapier (DSW) und die Vereinigung Institutioneller Privatanleger durchsetzen, dass jedes Aufsichtsratmitglied in einer eigenen Abstimmung entlastet wird – und Bsirske eben nicht.
Der Gewerkschaftschef habe nämlich, so der Vorwurf, im Dezember im Zuge der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst unter anderem einen halbstündigen Warnstreik der Flughafenfeuerwehr organisiert. „Ausgerechnet am Lufthansa-Hauptstützpunkt in Frankfurt“, kritisiert der Hauptgeschäftsführer der DSW, Ulrich Hocker. Der Airline sei dadurch ein Schaden in „Millionenhöhe“ entstanden, Bsirske als Aufsichtsrat aus diesem Grund nicht weiter tragbar, so Hocker. Die Lufthansa selbst könne allerdings den Schaden durch den Streik „nicht genau beziffern“.
Die Anträge, dem Ver.di-Chef die Entlastung als Lufthansa-Aufsichtsrat zu verweigern, seien jedoch „kein Angriff auf die Mitbestimmung“ der Arbeitnehmer und auch keiner auf das Recht auf Arbeitskampf, beteuert Hocker: „Ich bin nicht gegen Streiks.“ Diese dürften aber nicht von einem Mitglied des Aufsichtsrats organisiert werden. Bsirske habe durch seine Doppelfunktion in diesem Fall seine Pflichten „grob verletzt“. Nach Auffassung Hockers hätte der Ver.di-Chef entweder die Tarifverhandlungen oder den Lufthansa-Posten einem anderen überlassen müssen. Hocker: „Es muss nicht Bsirske im Aufsichtsrat sitzen.“ Einzelne Aktionäre wollen Bsirske gar auf Schadenersatz verklagen.
Ver.di-Sprecherin Cornelia Haß kann indes keine „unzulässige Interessenskollision“ erkennen. Auch juristisch hielten die Vorwürfe seitens der Aktionärsvertreter einer juristischen Überprüfung nicht stand. Schon 1976 nämlich habe das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass ein Arbeitnehmer-Aufsichtsrat selbst im eigenen Unternehmen zum Streik aufrufen dürfe.
DSW-Chef Hocker sieht gute Chancen, morgen zumindest die Einzelentlastung der Aufsichtsratmitglieder durchzusetzen. Sollte Bsirske dann tatsächlich nicht entlastet werden, hätte dies trotzdem keine unmittelbaren Auswirkungen. Das Aktionärsvotum übe lediglich „moralischen Druck aus, sein Mandat niederzulegen“, gesteht Hocker.
In einem anderen Fall einer möglichen Interessenskollision haben die Aktionärsvertreter übrigens weit weniger empfindlich reagiert. Die Deutsche Post AG hat im letzten Jahr entschieden, rund ein Drittel der täglichen Post-Flieger durch Lkw zu ersetzen – Einsparvolumen: knapp 100 Millionen Euro im Jahr. Rund zwei Drittel der Flüge führte die Lufthansa durch. Post-Aufsichtsratvorsitzender Klaus Zumwinkel sitzt zwar ebenfalls im Lufthansa-Aufsichtsrat. DSW-Chef Hocker aber nimmt ihn in Schutz: „Es gibt ja keine Verpflichtung, die Lufthansa zu unterstützen.“ ARMIN SIMON