: Kongo so nah – und so fern
Wenn die Bundestagsabgeordneten der deutschen Kongo-Mission zustimmen, denken viele an Europa und die Bundeswehr – aber nicht an Afrika
aus Berlin JENS KÖNIG
Auf den ersten Blick verhält es sich mit der Kongomission der EU ganz einfach. Die UN hat die Europäer gebeten, ihren Blauhelmsoldaten bei der Beendigung des Krieges im Kongo zu helfen. Also formiert die Europäische Union erstmals in ihrer Geschichte ohne Hilfe der Nato eine eigene Streitmacht und schickt sie außerhalb Europas in den Kampf. 1.400 Soldaten sollen, unter Führung Frankreichs, in der ostkongolesischen Stadt Bunia das Abschlachten der verfeindeten Volksgruppen unterbinden. Ihr Auftrag ist bis zum 1. September befristet.
Auf den ersten Blick verhält es sich auch mit der deutschen Unterstützung dieser Kongomission ganz einfach. Sie wird symbolisch sein und sich darauf beschränken, Sanitäter, Transportflieger, Offiziere für den Militärstab in Paris sowie eine kleine Schutztruppe zu entsenden. Es sind nicht mehr als 350 Soldaten, Kampftruppen sind keine unter ihnen. Sie werden nicht im umkämpften Bunia, sondern 300 Kilometer weit entfernt, in Entebbe im Nachbarland Uganda stationiert. Das Bundeskabinett ist für den Beschluss dieser Mission letzten Freitag nicht einmal mehr zusammengekommen. Als sei es nur noch lästige Routine, haben die einzelnen Minister ihre Zustimmung lediglich schriftlich erteilt. Am Mittwoch beschließt der Bundestag den Einsatz – nicht nur mit den Stimmen von SPD und Grünen, sondern auch von Union und FDP. Selbst die beiden PDS-Frauen wollen mit Ja stimmen. So viel Einigkeit bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr war nie.
Aber natürlich ist an der Kongomission gar nichts einfach, und schon ein paar Fragen reichen aus, um die geschlossene Front der Unterstützer in allen Bundestagsparteien als sehr löchrig erscheinen zu lassen: Sind 1.400 Soldaten nicht viel zu wenig? Macht die Beschränkung des EU-Einsatzes auf eine einzige Stadt überhaupt Sinn? Warum verzichtet die EU auf die Unterstützung der Nato? Ist ausgerechnet die alte Imperialmacht Frankreich der geeignete Friedensstifter im Kongo? Wird die überforderte Bundeswehr in Afrika für die neue, weltumspannende Außenpolitik der rot-grünen Regierung verheizt?
In der Union werden diese Fragen am lautesten gestellt – aber eben als Fragen, mit skeptischem Unterton vorgetragen. Die Einwände von CDU und CSU gehen nicht so weit, dass die Fraktion ihre Zustimmung zum deutschen Kongoeinsatz verweigert. Die Union kritisiert die Bundesregierung, weil diese dem Drängen Frankreichs nachgegeben und auf eine Beteiligung der Nato an der Mission verzichtet habe. Dahinter steht die Befürchtung, die USA würden die reine EU-Intervention als Fortsetzung des „Pralinengipfels“ vom April interpretieren, als die Bundesrepublik, Frankreich, Luxemburg und Belgien erste Schritte für eine eigene europäische Militärpolitik vorschlugen. Außerdem sieht die Union mit Sorge, dass die Bundeswehr in einen Konflikt hineingezogen werden könnte, auf den sie nicht vorbereitet sei und aus dem sie nicht mehr herauskomme. „Auch lange Märsche fangen mit einem ersten Schritt an“, sagt Fraktionsvize Wolfgang Schäuble.
Natürlich gibt es solche Befürchtungen auch im rot-grünen Lager, nur laut ausgesprochen werden sie nicht. Aber es ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass Verteidigungsminister Peter Struck auf den Einsatz seiner Bundeswehrsoldaten im Kongo lieber verzichtet hätte – wenn es denn irgendwie gegangen wäre. Aber wenn die UN die EU um Hilfe bittet und die EU militärisch eine eigene Rolle spielen will, so argumentiert Struck jetzt, dann könne Europa nicht Nein sagen. Dieses übergeordnete Interesse steht auch hinter dem Ja vom Kanzler und seinem Außenminister. Schröder und Fischer kommt der Kongoeinsatz außerdem recht, um dem US-Präsidenten zu signalisieren, dass Deutschland sich bei der internationalen Konfliktbewältigung engagiert. Und so ganz nebenbei können Schröder und Fischer wieder mal außenpolitische Einigkeit mit Frankreich demonstrieren, worauf sie seit dem Kampf gegen den Irakkrieg gesteigerten Wert legen.
Solche übergeordneten Motive will einer wie Ludger Volmer, der außenpolitische Sprecher der Grünen, nicht gelten lassen. Er gehört zu der kleinen Gruppe von Außen- und Entwicklungspolitikern in allen Parteien, für die es beim Kongoeinsatz wirklich um den Massenmord im Kongo geht – und nicht um die Bundeswehr oder Europa. „Die Bedeutung des Kongokonflikts liegt auf einer Stufe mit Afghanistan, Irak oder dem Nahen Osten“, sagt Volmer. „Nur unsere Betroffenheit ist nicht so groß.“ Deshalb glaubten viele, die Deutschen hätten im Kongo nichts zu suchen. Wo andere Afrika immer noch allein als Gegenstand ihres Opfer- und Hilfstriebes sehen, erkennt Volmer in Afrika einen strategischen Partner. Diese Partnerschaft Europas mit dem schwarzen Kontinent ist auf einem gemeinsamen Gipfel in Kairo im April 2000 besiegelt worden. Allein daraus ergibt sich für Volmer zwingend, dass Deutschland beim Kongoeinsatz der EU mitmachen muss. „Partner helfen sich gegenseitig“, sagt der Grüne.