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Archiv-Artikel

Das letzte Gefecht

Beim einzigen Deutschland-Konzert von Public Enemy in Berlin sammelten sich die verblieben Getreuen um die einstige Legende des Hardcore-Rap

von KERSTIN GRETHER

Das HipHop-Großereignis des vergangenen Wochenendes fand wohl ein paar Kilometer nördlich statt, in Hamburg: Dort schaute Eminem, zusammen mit seinen aktuellen Jüngern D 12, Obie Trice und 50 Cent in der Hamburger AOL-Arena vorbei. Von „45.000 begeisterten Fans“ berichtete MTV und zitierte ein 14-jähriges Mädchen mit den Worten: „50 Cent ist das Tier in Person: Als er da stand mit nacktem Oberkörper, fand ich: ooah!“

Nun hatten Public Enemy noch nie die Absicht, 14-jährige Girls zum Schmachten zu bringen, ohnehin haben sie kaum weibliche Fans. Eher schon wollten sie Staatsmänner stürzen und die Revolution ausrufen. Zwar spielten auch sie einst das einschüchternde „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“-Spiel und stilisierten sich zu Staatsfeinden. Doch die Rolle des „Bad Boy No. 1“ halten heute Figuren wie 50 Cent und Eminem inne. So war schon vor dem Berlin-Konzert klar, dass keine kreischenden Teenager-Horden zum einzigen Deutschland-Auftritt der Old-School-Fundamentalisten anreisen würden.

Public Enemy galten einmal, lang ist es her, als wichtigste und stilprägende Band des Genres. In den Achtzigerjahren führten sie mit radikaler „Black Power“-Rhetorik und militantem Auftreten einen neuen, politischen Tonfall in den HipHop ein und setzten ihren Agit-Rap in dichte Soundcollagen aus zur Unkenntlichkeit geschredderten Musiksamples, Polizeisirenen und hektisch-aggressiven Beats um. Doch die einstmals gefürchtete HipHop-Formation hat ihre große Zeit hinter sich. Ihre letztjährige Reunion-CD „Revolverlution“, ein Remix aus alten Hits und neuen Songs, fand sich noch nicht einmal in den Charts wieder.

Doch dass die Brötchen, die Public Enemy mittlerweile backen, sooo klein sind, damit hatte nun doch keiner gerechnet. Man scheut sich fast, die genaue Besucherzahl des einzigen Deutschland-Konzertes der einstmaligen HipHop-Legende anzugeben: Sprechen wir also großzügig von 500 zahlenden Gästen in der 7.500 Leute fassenden Arena im Bezirk Treptow. Dafür aber hatten Public Enemy ihre wenigen verbliebenen Fans an diesem Abend voll im Griff. Überall bewegte Körper, in die Luft gereckte Hände, leuchtende Augen: „Zwölf Jahre später, endlich Public Enemy live“, freut sich ein etwa dreißigjähriger Fan und verkündet, ihm sei es scheißegal, wie teuer die Karten waren. Auch die anderen haben unfassbar gute Laune: lauter hüpfende junge Erwachsene, die wohl auch Public Enemy zu ihren besten Zeiten verpasst haben und nun ihre Jugend nachzufeiern scheinen. Selbst der unerträglich laute Bühnensound, ein einziges breiiges Brett mit schmerzenden Höhen, wird da noch freundlich aufgenommen, als handle es sich dabei um ein weiteres, wertvolles Stil-Gimmick. Als gehöre diese ohrenbetäubende Lautstärke zum rauen, uplifting Sound von Public Enemy nun mal dazu – zu dieser Musik, die nur aus Härte besteht, zu diesem ungemütlichen, agitatorischen Dauergebrüll. Und plötzlich sehnt man sich nach der Schönheit des modernen HipHop zurück, nach den himmlischen Timbaland-Beats, ja selbst die frauenfeindlichen, aber dafür humorvollen Texte eines Eminem erinnert man als etwas Liebevolles: Immerhin geht’s da überhaupt noch um Frauen.

Public Enemy dagegen rühmen sich zwar, keine bösen Lieder mehr gegen böse Bitches zu singen. Trotzdem ist die ganze Show so trostlos männlich, dass man fast schon wieder Mitleid mit ihnen kriegt. Mit dem Rap-Aushängeschild Flavor Flav etwa, der da immer noch steht, nach all den Jahren, mit seiner riesigen weißen Uhr, die auf kurz nach 12 stehen geblieben ist, seinem Markenzeichen, und der das Publikum auffordert, seinen Namen zu schreien. Oder mit dem Vordenker Chuck D, der wahrscheinlich im echten Leben ein verständnisvoller Intellektueller ist, aber noch nie einen persönlichen Song über sich als Mensch geschrieben hat: Immer nur über seine Rolle als Kämpfer einer schwarzen Minderheit: „Wir haben keine Macht über das Fernsehen, wir haben keine Macht über das Radio: Jetzt müssen wir dafür kämpfen wenigstens das Netz zu kontrollieren“, erklärte Chuck D, der eine Internet-Plattenfirma betreibt, neulich in einem Interview. Unübersehbar prangte deshalb die Adresse der Public Enemy-Webseite am DJ-Pult.

„Der DJ hat heute Geburtstag“, brüllt Flavor Flav am Ende des Konzerts ins Mikro: „Er will, dass alle mit zur Hotelparty kommen.“ So hat der verblasste Ruhm auch seine guten Seiten: Man kann sich alle seine Fans zur After-Show-Feier einladen.