: Mandat reicht nicht
Die Kongo-Eingreiftruppe der EU ist jetzt schon gezwungen, ihr beschränktes Mandat zu überschreiten
BERLIN taz ■ Kaum ist die Stationierung der französisch geführten multinationalen Eingreiftruppe im nordostkongolesischen Bunia angelaufen, steht schon die Ausweitung der Mission zur Debatte. „Wenn sich herausstellt, dass 50 Kilometer von der Stadt entfernt weiter gekämpft wird, muss natürlich geprüft werden, ob es eine Notwendigkeit gibt, die Präsenz der Truppen auszudehnen“, sagte Bundesverteidigungsminister Peter Struck gestern in einem Fernsehinterview. Es könne sein, dass die UNO irgendwann Frankreich und andere europäische Nationen bitten werde, das Mandat für den Einsatz auszuweiten. „Das wäre eine neue Situation, in der wir auch neu entscheiden müssten“, so Struck.
Bisher ist das Mandat für die Eingreiftruppe, die nach ihrer kompletten Stationierung in vier Wochen um die 1.400 Mann umfassen soll, auf die Stadt Bunia und den wenige Kilometer außerhalb liegenden Flughafen beschränkt. Seit der Festlegung dieses Mandats durch den UN-Sicherheitsrat am 30. Mai gibt es Kritik daran, weil die Kämpfe in der Region sich nicht auf Bunia beschränken, sondern den gesamten Distrikt Ituri betreffen. Die renommierte „International Crisis Group“ (ICG) forderte letzte Woche die Ausweitung des Einsatzes auf Aru, wichtiger Grenzposten zu Uganda, und Mongbwalu, die wichtigste Goldgräberstadt Ituris. Außerdem sollte die Truppe bei der Umsetzung des geltenden Waffenstillstandsabkommens für Bunia helfen und Kantonierungslager für Bunias Milizen 15 Kilometer außerhalb der Stadt einrichten.
Die Hema-dominierte Bewegung UPC (Union kongolesischer Patrioten) erklärte sich am Dienstag zu einem Abzug ihrer Kämpfer aus Bunia bereit, allerdings nicht zu ihrer Entwaffnung. Die Lendu-Gegner der UPC stehen schon in den Hügeln rings um Bunia. Um ihre Aktivitäten zu überwachen, müsste die Eingreiftruppe auch dort aktiv werden. Täte sie das nicht, würde sie sich dem Vorwurf aussetzen, nur die Aktivitäten einer Seite im Hema-Lendu-Konflikt von Ituri zu beobachten. Das wäre fatal für Kongos Friedensprozess: Die UPC wird von Ruanda und dessen kongolesischen Verbündeten unterstützt, die Lendu-Gruppen hingegen von Kongos Regierung und deren lokalen Alliierten, und beide Koalitionen bekämpfen einander gegenwärtig in anderen Teilen Ostkongos.
Ituris Krieg der ethnischen Milizen ist längst ein Stellvertreterkrieg für Kongos große Kriegsparteien geworden. Besonders blutige Massaker werden regelmäßig von den unmittelbar an Uganda angrenzenden Gebieten gemeldet, wo die Lendu-Gruppen gegen eine von Uganda unterstützte UPC-Abspaltung kämpfen. Diese Gebiete gelten als besonders interessant für zukünftige Ölprospektion. Auch Ituris Goldminen um Mongbwalu sind umkämpft: Die UPC will sie vergangene Woche wieder eingenommen haben; Uganda warf daraufhin Ruanda vor, dabei militärisch mitgemischt zu haben, worauf Ruanda Uganda der Kriegsvorbereitung bezichtigte.
Die französischen Soldaten reagieren auf die Spannungen und haben mit Patrouillen außerhalb Bunias begonnen. Am Samstag gerieten sie fünf Kilometer außerhalb von Bunia in eine Schießerei mit Lendu-Milizen. Am Dienstag erschossen sie am Stadtrand zwei betrunkene Hema, die ihre Gewehre auf die Franzosen gerichtet hatten, allerdings ohne zu schießen. Das französische Kommando erklärte, die Truppe werde „auf jede bewaffnete Person das Feuer eröffnen, die sie oder die Bevölkerung bedroht“. DOMINIC JOHNSON