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Archiv-Artikel

Union ohne Experte

Nach Protest gegen „falsches“ Gesundheitskonzept seiner Partei taucht Seehofer ab. CSU-Parteifreund: Er muss Meinung oder Posten ändern

BERLIN taz ■ Die Union geht ohne ihren wichtigsten Experten in die heutige Bundestagdebatte über die Gesundheitsreform. Fraktionsvize Horst Seehofer (CSU) wird auf der Rednerliste durch seinen Parteifreund Wolfgang Zöller ersetzt. Für die CDU treten Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel sowie die gesundheitspolitische Sprecherin Annette Widmann-Mauz gegen die Regierung an.

Der frühere Bundesgesundheitsminister Seehofer hatte das von seiner Parteispitze beschlossene Gesundheitskonzept als „falsch“ bezeichnet und war aus Protest gar nicht mehr zur gestrigen Fraktionssitzung erschienen. Seehofer kritisierte vor allem die Forderung seiner Partei nach einem Wegfall des Zahnersatzes aus der gesetzlichen Krankenversicherung und warnte vor einer Mehrbelastung für Geringverdiener, Familien und Rentner.

Bei der Abstimmung in der Fraktion wurde das Konzept mit nur zwei Gegenstimmen gebilligt. Eine bittere Niederlage für Seehofer, der als Fraktionsvize für die Gesundheits- und Sozialpolitik zuständig ist. Prompt kamen Rücktrittsgerüchte auf.

Seehofer selbst schwieg dazu. Bis zum Nachmittag war er auch für die CDU-Spitze nicht erreichbar. „Ich habe heute mit Herrn Seehofer nicht gesprochen“, räumte Merkel ein. Auf die Frage, ob Seehofer im Amt bleibe, antwortete sie lapidar: „Mir ist nichts anderes bekannt.“ Dies sei Sache der CSU. Seehofers Büroleiterin teilte mit, sie wisse nicht, ob ihr Chef zur heutigen Bundestagsdebatte kommen werde.

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos kommentierte das Fernbleiben Seehofers bemüht humorvoll. Er könne die Journalisten beruhigen, sagte Glos. Seehofer sei „kein Phantom, ihn gibt es“. Im Übrigen sei eine Fraktionssitzung „ein Angebot“ und „keine Pflichtveranstaltung.“ CSU-Parteifreund Zöller sagte der taz, nach dem klaren Abstimmungsergebnis müsse Seehofer „seine Meinung ändern oder seinen Posten“. LUKAS WALLRAFF

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