piwik no script img

Archiv-Artikel

Gesine Schwan im Gendertest

Will die Sozialdemokratin Bundespräsidentin werden, muss sie genügend Wahlfrauen für sich einnehmen. Doch ist sie überhaupt eine Kandidatin für Frauenbündelei? Ein Podium zeigt: Ernsthafte Feministinnen müssten schon ein Auge zudrücken

VON HEIDE OESTREICH

„ ,Meine liebe Schwänin‘, das hat einfach nicht gut geklungen“, verteidigt sich die Verteilerin der Buttons. „Mein lieber Schwan“ steht auf dem gelbgrünen Knopf, der für Gesine Schwan als Präsidentschaftskandidatin wirbt. Einige der rund 400 Frauen (plus einige Männer), die sich am Mittwoch in der Berliner Humboldt-Uni versammelten, hatten sich über die männliche Parole, die da am Rande ausgegeben wurde, lustig gemacht.

„Sticht diesmal Dame Bube?“, lautete der offizielle Titel des Abends zu Schwans Chancen bei der Präsidentenwahl, der informelle: Sind wir für sie? Ist sie für uns? Geladen hatten das feministische Institut der Heinrich-Böll-Stiftung sowie ein Bündnis von Fraueninitiativen. Sie wollten der Kandidatin, die auf ihrer Homepage als eine von drei herausragenden Eigenschaften „Frau“ nennt, auf den Zahn fühlen. Ernsthafte Feministinnen müssen, wenn sie eine Bundespräsidentin haben wollen, ein Auge zudrücken, so viel ist klar.

Gesine Schwan hatte in der Politologie schon eine Professur, als die Feministinnen noch um eine Frauenbeauftragte kämpften – und sie hat sie nicht unterstützt. Dieser Hypothek begegnet Schwan gleich zu Beginn: Als emanzipiert aufgewachsene Tochter einer Mutter, die selbst „mindestens zwei Friedens- und eine Frauenpartei gegründet hat“, sei sie überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass sie als Frau benachteiligt sein könnte, erklärt sie. „Dass meine Situation natürlich absolut minoritär war, kam mir erst sehr viel später in den Sinn.“

Später, als sie Dekanin des Fachbereichs Politologie wurde, öffnete sie sich den Anliegen der Frauenfraktion am Institut dann doch. Bekehrt von der österreichischen Gastprofessorin Eva Kreisky veranlasste sie, dass das Feld Geschlechterstudien obligatorisch belegt werden musste. Aus wissenssoziologischen Gründen habe ihr das eingeleuchtet. Frauen hätten in der Tat einen anderen Blick auf viele Gegenstände, weil sie nun mal meistens andere Erfahrungen machten. Der Vorsitzenden des Frauenrates auf dem Podium reichte das nicht: Sie sei nicht überzeugt, ob Schwan als zukünftiger Präsidentin die Geschlechterfrage „in den Poren“ säße, zweifelte Inge von Bönninghausen. Und Schwan gab ihr Recht. „Ich komme nicht aus der Frauenbewegung.“ Aber ihr „Konzept der partnerschaftlichen Familie“ habe durchaus Konsequenzen für das Geschlechterverhältnis.

Die Berliner Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sibyll Klotz, wollte wissen, ob sie sich denn gegen die vom Ehegatten abgeleiteten Sozialversicherungsansprüche von Frauen einsetzen würde. „Ich war nie von einem Mann abgeleitet“, hält Schwan amüsiert dagegen. Von Bönninghausen hakt nach: „Aber was der Unterschied zwischen einer C2- und einer C4-Professur ist, das wissen Sie schon, oder?“. Letztere ist deutlich höher dotiert. „Ich hatte eine C2-Professur“, sinniert Schwan, „aber das spielte auf den Treffen mit den vielen C4-Professoren nie eine Rolle!“ Schließlich habe sie sich wegen der Familie nie von ihrer Uni wegbeworben, da könne man eben nicht so leicht aufsteigen. Das ist es, was gestandene Feministinnen das Gesicht schmerzlich verziehen lässt – und was andererseits Gesine Schwans Vorteil ist: Nie würde es ihr einfallen, sich über ihre schlechtere Bezahlung zu empören.

Die Dinge nehmen, wie sie sind, und daraus etwas Gutes machen, so geht sie an die Welt heran. Dass man da auch am Geschlechterverhältnis etwas ändern könnte, ist bei ihr tatsächlich eher ein blinder Fleck. Aber: „Ich bin lernfähig“, wirbt sie. „Es gibt sicher Fälle, wo man mir auf die Sprünge helfen muss!“ Moderatorin Elisabeth von Thadden von der Zeit hatte andere Sorgen: Was man denn nun tun könne, um endlich eine Bundespräsidentin zu erleben? Hildegard Hamm-Brücher, FDP-Frontfrau bei der PräsidentInnenwahl 1994 gegen den Unionskandidaten Roman Herzog, ist guten Mutes: Die Bundesversammlung müsse schlicht darüber aufgeklärt werden, dass sie absolut unabhängig zu entscheiden habe. Es stehe ja nicht Mann oder Frau zur Wahl, sondern ein Ökonom gegen eine Politologin, die für Kommunikation und „vertrauensbildende Maßnahmen“ stehe. „Und ketzerisch gesagt“, so Hamm-Brücher charmant lächelnd, „ein bisschen ist der Lack ja schon ab, beim Herrn Köhler.“

20 Delegierte von Union und FDP müssten gewonnen werden, um Schwan zur Präsidentin zu machen – je nachdem, wie die PDS sich entscheidet. Deren Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch wollte Schwan vor allem zu einer Kritik der Agenda 2010 bewegen – erfolglos. So unsicher die Stimmen der PDS bisher sind, im Saal machte sich am Abend Kampagnenstimmung breit. Ob nicht der eine oder die andere unter den Wahlleuten noch per Brief zu überzeugen sei?, überlegen Teilnehmerinnen laut. Frau Hamm-Brücher nickt und spitzt bereits die Feder.