piwik no script img

Archiv-Artikel

DOSENPFAND: JETZT BRÖCKELT DIE FRONT DER NEINSAGER Der Handel hat übertaktiert und verloren

Da jaulen die Discountmanager in ihren Vorstandssesseln. Jürgen Trittin nimmt den zweiten Anlauf, die Dosenlobby endgültig und für alle Zeiten zur Rücknahme ihre Blechbüchsen zu zwingen. Ausgerechnet der verhasste Grüne! Für die Ideologen in Nadelstreifen ist das unerträglich.

Vor zwei Jahren gelang es der Einwegindustrie noch, Wolfgang Clement gegen Trittin in Stellung zu bringen. Damals, noch als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, brachte Clement die Novelle im Bundesrat zum Scheitern. Doch sein Nachfolger Peer Steinbrück hält still. Vielleicht hat selbst die NRW-SPD begriffen, dass es nun um mehr geht als ums Pfand: nämlich darum, ob die Wirtschaft überhaupt noch Zusagen einhält.

Trotzig ruft der Handelsverband zum letzten Gefecht. Droht noch einmal mit Jobabbau – und mit Durst. Der würde das Land befallen, wenn alle aus den vermeintlich knappen Mehrwegflaschen trinken müssten. So leistet der Handel seinen persönlichen Beitrag zur Erinnerungsarbeit an die DDR. Erschrecken kann er damit niemanden.

Nur schwer kann der Handelsverband noch verkleistern, dass er längst nicht mehr für den Handel spricht. Jede Firma verfolgt aus Angst um Umsatz inzwischen ihre eigene Strategie. Der Getränkefachhandel setzte ohnehin schon immer auf Mehrweg. Nun tun das auch Edeka und Plus. Während Kioske und Tankstellen ein zentrales Rücknahmesystem errichten, setzten Aldi und Lidl auf firmeneigene Wegwerfbuddeln. Allein Metro und Tengelmann basteln immer noch an einer Drohkulisse.

Trotzdem tut der Handelsverband weiter so, als rede er für alle. Wie leer seine Wort sind, kann man am Wechsel der Drohkulisse ermessen: Drohte er vor Jahreswechsel noch kühn mit dem Ende der Mehrwegflasche, ist inzwischen vom Ende der Dose die Rede. Nur wenn würde das stören? Schließlich ging es beim Pfand genau darum.

Der Handel hat sich verkämpft. Die Dosenumsätze brachen wegen der umständlichen Pfandbons ein, nicht wegen des Pfandes. Mit einem zentralen Rücknahmesystem von Anfang an wäre das nicht passiert. Der Handel hat übertaktiert – und wohl verloren. Es ist beinahe tragisch, dass er es einfach nicht wahrhaben will. MATTHIAS URBACH