: „Eine Hand voll Eliteunis wäre absurd“
SPD-Minister Zöllner kritisiert die Idee des SPD-Kanzlers – denn in der Breite ist kein Unisystem besser als das deutsche
Ich möchte, dass wir in diesem Land mehr Bildung wagen. Das war für mich vor mehr als drei Jahrzehnten ein Grund, in die SPD einzutreten, und ist für mich bis heute das Motiv, Politik zu machen. Ich möchte, dass möglichst viele junge Menschen die Chance auf Bildung bekommen. Und weil ich die vorhandenen sozialen Barrieren nicht noch erhöhen möchte, kämpfe ich zum Beispiel gegen Studiengebühren. Sie hängen wie ein Damoklesschwert über dem Land, seit einige CDU-Länder vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gebührenverbot des Hochschulrahmengesetzes klagen.
Nein, ich verschließe nicht Augen und Ohren vor den Problemen unserer Hochschulen. Überfüllte Hörsäle, zu wenige Profs, veraltete Buchbestände: das sind Realitäten, die auch in meinem Land Lehre und Forschung hemmen. Und doch bin ich der festen Überzeugung, dass unsere Universitäten und Fachhochschulen besser sind als ihr Ruf. Mehr noch: Was die Qualität in der Breite betrifft, gibt es auf der ganzen Welt kein besseres Hochschulsystem als das unsere.
Dieses hohe Niveau in der Breite müssen wir halten – und gleichzeitig alles daransetzen, um in der Spitze noch besser zu werden. Deswegen bin ich dem Bundeskanzler und meiner Kollegin Edelgard Bulmahn ehrlich dankbar dafür, dass sie das Thema mit Nachdruck auf die Tagesordnung der Republik setzen.
Im Ziel waren sich Bund und Länder von Anfang einig. Dass wir Spitzenbereiche an unseren Hochschulen identifizieren – und sie dann auch fördern. Über den Weg dorthin hatten ich allerdings andere Vorstellungen. Und mit mir alle meine Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern.
Dass wir Länderminister es in wenigen Tagen geschafft haben, über alle Parteigrenzen hinweg eine gemeinsame Position einzunehmen, halte ich schon für bemerkenswert. Schließlich sind wir doch – auch für die taz – diejenigen, die stets auf der Bremse stehen, weil sie sich uneinig sind. In der Elitedebatte war nichts davon wahr. Der Bund hat eine Initiative in Aussicht gestellt, wir Länder haben mit Gegenvorschlägen reagiert. Ich nenne das einen Erfolg.
Die zwischen den Ländern und dem Bund vereinbarten Eckpunkte ermöglichen nun ein offenes und dynamisches System der Spitzenförderung – von dem viele Hochschulen profitieren werden. Sie können zusätzliche Mittel für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Graduiertenschulen und der Spitzenforschung in Exzellenzzentren beantragen. Zusätzlich fördern wir auch „Spitzenunis“, die ein richtungweisendes Entwicklungskonzept vorlegen. Kurzum: Wir etablieren einen Wettbewerb, der diesen Namen wirklich verdient.
Meine Sorge war, dass wir durch einen elitären Eingriff an der falschen Stelle unser Hochschulsystem für lange Zeit geschädigt hätten, statt es zu stärken. Das wäre der Fall gewesen, wenn wir nur fünf oder sechs Superunis zusätzliches Geld in die Hand gedrückt hätten. Die anderen Hochschulen wären in der öffentlichen Wahrnehmung dann allesamt zweit- oder drittklassig gewesen. Die Kluft zwischen ihnen und vermeintlichen Eliteuniversitäten wäre unüberbrückbar geworden. Man stelle sich das doch nur mal praktisch vor: Eine Hand voll Unis bekommt über fünf Jahre hinweg 50 Millionen Euro zusätzlich. Hätten die anderen den Vorsprung jemals wieder aufholen können? Wohl kaum!
Die Auswahl von Spitzenunis hätte überdies Schwierigkeiten bereitet. Dass zwei Unis aus einer Stadt in den Kreis der Auserwählten gelangt wären, erscheint mir doch einigermaßen unrealistisch. Auf Berlin übertragen: Die „Humboldt“ wird Superuni, die FU guckt in die Röhre – oder umgekehrt. Das Beispiel macht die ganze Absurdität des Ansatzes deutlich. Die FU in derselben Klasse wie Vechta!
Nein, keine Universität ist in allen Bereichen glänzend – übrigens auch nicht die großen Vorbilder in den USA, Frankreich oder Großbritannien. Bezugspunkt kann nur die Leistungsstärke einzelner Wissenschaftsbereiche sein. Diese müssen sich einem Wettbewerb stellen, der allen Hochschulen die Chance bietet, in die Champions-League aufzusteigen. Und sie motivieren, sich beständig ins Zeug zu legen, um nicht unversehens in die Regionalliga abzurutschen.
Die Einigkeit zwischen Bund und Ländern gewährleistet dies. Wenn die Unis in Mannheim, Aachen, Mainz oder München miteinander um zusätzliche Fördermittel wetteifern, wird eine Leistungsspirale in Gang gesetzt, die unserem Hochschul- und Wissenschaftsstandort gut tut. Deutschland wird dadurch für hochbegabte Studierende und Professoren aus dem Ausland attraktiver. Außerdem wird der Wettbewerb, wie wir ihn nun wollen, die Spitze fördern – und zugleich massiv Impulse in der Breite setzen.
Die Förderwege sind klar ausgeschildert. Dem wissenschaftlichen Nachwuchs greifen wir in den Graduiertenschulen unter die Arme. So genannte Exzellenzcluster, also die Verknüpfung von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, können sich um zusätzliche Mittel für die Spitzenforschung bewerben. Und für die Spitzenunis gibt es zusätzliches Geld nur im Hinblick auf ihre strukturelle Weiterentwicklung.
Universitäten können Anträge auch nur in Bezug auf einzelne Bereiche stellen: beispielsweise wenn sie eine Doktorandenschule oder ein Exzellenzzentrum gefördert bekommen möchten. Wenn mutmaßliche Spitzenunis Mittel für Nachwuchsförderung oder Spitzenforschung erhalten wollen, müssen sie sich dem Wettbewerb mit denen stellen, die sich nur um eine Graduiertenschule oder nur um ein Exzellenzzentrum bewerben. Damit ist auf jeden Fall gewährleistet, dass weitaus mehr Hochschulen zusätzliches Geld – und damit zusätzliche Entwicklungschancen – bekommen, als wenn man sich auf eine Hand voll Superunis beschränkt hätte.
Mit diesem Verfahren werden wird der hochschulinterne Wettbewerb in Gang gesetzt und der zwischen den einzelnen Hochschulen. Davon kann die gesamte Wissenschaft nur profitieren – ohne dass die Bildung für möglichst viele dabei auf der Strecke bleibt. JÜRGEN ZÖLLNER
Der Autor ist Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz. Er koordiniert die Forschungs- und Bildungspolitik der SPD-regierten Bundesländer. Zöllner, 58, ist von Hause aus Molekularbiologe und einer der wenigen Wissenschaftspolitiker, die eine eigene erfolgreiche Forscherkarriere hinter sich haben.