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Archiv-Artikel

WILL DER STAAT DIE WIRTSCHAFT ANKURBELN, MUSS ER SCHULDEN MACHEN Maastricht ist weit weg

Der Vorschlag ist verlockend, aber auch risikoreich. Angesichts einer bereits dreijährigen Wirtschaftsflaute plädiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) dafür, den europäischen Maastricht-Vertrag grundsätzlich zu verändern. Nicht mehr die Verschuldung soll das entscheidende Kriterium für den Zustand der Staatsfinanzen sein, sondern die Begrenzung des Ausgabenzuwachses. Würde das europäische Vertragswerk tatsächlich dergestalt umgeschrieben, wären Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und sein Finanzminister Hans Eichel zumindest eine Sorge los.

Ökonomisch hat der Vorschlag Charme. Im Gegensatz zu heute könnten die staatlichen Ausgaben in der Krise begrenzt wachsen und so die wirtschaftliche Gesundung fördern. Denn Unternehmen und Bürgern würde mehr Geld zur Verfügung stehen. Doch auch der Pferdefuß ist offensichtlich. Wann sollen die Schulden zurückgezahlt werden? „Wenn die Wirtschaft wieder läuft“, heißt es. Aber eine überzeugende Antwort ist das nicht. Denn laut DIW sollen die Ausgaben auch in guten Zeiten um maximal drei Prozent pro Jahr steigen. Neben der durchschnittlichen Inflationsrate von 1,5 Prozent begründen die Forscher dieses Ziel mit dem normalen Anstieg der Produktivität um 1,5 Prozent jährlich. Wachse die Wirtschaftsleistung um diese Größe, sei nicht einzusehen, warum Staatsausgaben nicht dasselbe tun sollten.

Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass erst jenseits eines nominellen Wachstums von drei Prozent genug Geld da wäre, um die alten Staatsschulden allmählich zu reduzieren. Solche Wachstumsraten sind in den nächsten Jahren aber unrealistisch – möglicherweise lassen sie sehr lange auf sich warten.

Wie schon in den Siebzigerjahren, als die SPD den Keynsianismus probte, fehlt ein plausibler Plan zur Reduzierung der Schulden. Eine Möglichkeit wäre, die Ausgabensteigerung in guten Zeiten auf nur noch ein oder zwei Prozent festzulegen. Aber vielleicht ist es einfach so, dass eine längerfristige Schuldenreduzierung mit den gegenwärtigen politischen Mechanismen prinzipiell unvereinbar ist. HANNES KOCH