: China rettet deutsche Wirtschaft
Der erste Deutschlandbesuch von Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao steht im Zeichen des Handels, den beide Seiten bis 2010 verdoppeln wollen
AUS BERLIN SVEN HANSEN
„Es ist grundlegendes Ziel der chinesischen Regierung, die Hochtechnologie zu fördern.“ Gerade, als Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao gestern im Bundeswirtschaftsministerium mit diesem Satz ein deutsch-chinesisches Technologieforum eröffnet, fällt der Strom aus. Nur die Batterielampen einiger TV-Kameras spenden etwas Licht in dem großen Saal, in dem deutsche Manager mit ihren chinesischen Gästen plötzlich mitten in der deutschen Hauptstadt im Dunkeln sitzen. Wen kennt Stromausfälle aus China, wo die Energieproduktion dem rasanten Wirtschaftswachstum hinterherhinkt. Aber von Berlin hat er das nicht erwartet. Er lächelt, das Publikum lacht.
Der Stromausfall ist nur ein weiteres Symbol für die deutliche Akzentverschiebung in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Denn schon wenige Minuten später bittet Wirtschaftsminister Wolfgang Clement so deutlich wie kein Politiker zuvor die Chinesen um Investitionen in Deutschland. Und Bundeskanzler Gerhard Schröder räumt ein, dass er von Chinas Wachstumszahlen nicht zu träumen wage, aber einen Teil davon schon gern hätte.
Die großen Zuwachsraten im China-Handel – die deutschen Exporte wuchsen 2003 um fast ein Viertel, die Importe um 17 Prozent – sind eine wichtige Stütze für die ansonsten stagnierende deutsche Wirtschaft. Die Chinesen treten entsprechend selbstbewusst auf, die Deutschen enthalten sich Kritik und hoffen auf Verträge. Wen und Schröder verkünden, bis 2010 den bilateralen Handel auf jährlich 90 Milliarden Euro verdoppeln zu wollen. Bei Wens Visite werden umfangreiche Wirtschaftsverträge und Absichtserklärungen unterzeichnet, so über eine Autofabrik von DaimlerChrysler und eine Chipfabrik von Infineon. Geht es nach Schröder, soll auch das seit dem Tiananmen-Massaker 1989 bestehende EU-Waffenembargo gegen China fallen.
Wen erklärt, dass der Streit um die Hanauer Atomanlage keinesfalls die guten Beziehungen belaste. Vielmehr fordert er die Deutschen zu noch mehr Technologietransfer auf. Deutschen Firmen verspricht er, dass seine Regierung den Schutz geistigen Eigentums verbessern wolle und dazu nicht nur Reformen zur besseren Strafverfolgung eingeleitet habe, sondern damit auch eigens einen Vizepremierminister beauftragt habe. „Chinas neue Führung ist hervorragend“, erklärt darauf Jürgen Heraeus, der China-Sprecher der deutschen Wirtschaft, der taz. Es sei das erste Mal, dass ein chinesischer Premier sich der Patentschutzverletzungen so deutlich annehme. Das liege am wachsenden Druck chinesischer Privatunternehmen, die schließlich darunter genauso litten wie ausländische Firmen, so Heraeus.
Bei ihren politischen Gesprächen vereinbaren Schröder und Wen jährliche Konsultationen und die Einrichtung eines regierungsunabhängigen Dialogforums. Sie verabreden auch eine Fortsetzung des Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialogs, doch spielt dieses Thema beim Besuch sonst keine Rolle.