Erdöl als Chance

von DOMINIC JOHNSON

Es ist Afrikas große Chance: 50 Milliarden US-Dollar will die internationale Ölindustrie in den nächsten Jahren dort investieren; 200 Milliarden Dollar mindestens werden Afrikas Regierungen im gleichen Zeitraum am Öl verdienen. Von der Verwendung dieser Summen hängt die Zukunft des Kontinents ab. Und auch in Zentralasien und Irak bestimmt die Verwendung von Ölgeldern die Politik der nächsten Jahre.

Es war also ein zentrales Thema der Weltpolitik, über das am Dienstag in London hinter verschlossenen Türen unter Vorsitz des britischen Premierministers Tony Blair weit reichende Entscheidungen gefällt wurden. Die „Extractive Industries Transparency Initiative“ (EITI) soll die Usancen in der internationalen Öl- und Gasförderung und im Bergbau revolutionieren. „Transparenz bei Zahlungen von Unternehmen an Regierungen und regierungsnahe Körperschaften sowie Transparenz bei den Einnahmen der Förderländer“ verspricht das EITI-Regelwerk. Das werde „Bürger und Institutionen ermächtigen, Regierungen zur Verantwortung zu ziehen“.

Die Idee, ursprünglich von Blair beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg im vergangenen September verkündet, ist einfach: Ölfirmen – um die geht es hauptsächlich, weil dabei das meiste Geld im Spiel ist – sollen jedes Jahr veröffentlichen, wie viel Geld sie im Land ihrer Tätigkeit dem Staat oder dessen Organen zahlen. Die Berichtspflicht erstreckt sich auch auf die jeweils beteiligten Staatsfirmen. Gemeldet werden sollen die dem Förderland zustehenden Förderanteile, Steuerzahlungen und Lizenzgebühren, Dividenden und Bonuszahlungen.

Dann weiß nämlich die ganze Welt, wie viel Geld die Regierung eines Entwicklungslandes an ihren Rohstoffen verdient. Und keine korrupten Herrscher können mehr unbemerkt Milliardensummen verschwinden lassen. „Derzeit machen die meisten multinationalen Firmen keine nach Ländern aufgeschlüsselten öffentlichen finanziellen Angaben“, erklärt die britische Regierung. „Auf der Seite der Produzentenländer gibt es keine internationalen Anforderungen für voll transparente Haushalts- und Steuerinformationen.“

Das ändert sich allerdings auch mit EITI nicht. Denn das Prinzip der Initiative ist Freiwilligkeit. Kein Staat und kein Konzern wird zum Mitmachen gezwungen. Kein Wunder, dass die Ölmultis EITI unterstützen und ihre Mitarbeit zugesagt haben.

Globalisierungskritiker hingegen fordern ein viel schärferes Vorgehen. Im Juni 2002, kurz vor Blairs EITI-Vorstoß, lancierte der US-Milliardär und NGO-Förderer George Soros den Aufruf „Publish What You Pay“ (PWYP): Danach müssten alle multinationalen Konzerne zur Offenlegung all jener Geldtransaktionen weltweit verpflichtet werden, die sie auch in ihren Heimatländern melden müssten. Dies könnte zur Bedingung beispielsweise der Börsenzulassung gemacht werden. 130 NGOs weltweit haben sich der PWYP-Koalition angeschlossen.

George Soros äußerte sich denn auch in London äußerst kritisch zu EITI. „Ich unterstütze den Vorschlag, aber ich sorge mich, dass er zur Farce wird“, sagte er. Muzong Kodi von Transparency International meint: „EITI kann dort funktionieren, wo die Regierungen integer sind. Aber es gibt Länder, in denen das Abzweigen von Ressourcen die Bedingung zur Machtausübung darstellt.“

Die britische Regierung ist nun auf guten Willen angewiesen. „Wir hoffen, dass Länder von EITI Gebrauch machen“, sagt Amanda Phillips, Sprecherin des britischen Entwicklungshilfeministeriums. Besonders positiv eingestellt seien Aserbaidschan, Ghana, Indonesien und Trinidad und Tobago. „Allgemeine Unterstützung“ hätten Äquatorial-Guinea, Kasachstan, die Demokratische Republik Kongo, Mosambik, Nigeria, Osttimor und Sierra Leone bekundet.

Ob das reicht? Angola, besonders wegen Korruption in der Kritik, lehnt EITI ab. Und Russland, die USA und Kanada gelten als EITI-Skeptiker. Deutschland gibt sich passiv. Bei einem Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung über das Thema Öl in Afrika Anfang Juni erklärte Karl Prinz vom Auswärtigen Amt, EITI sei für deutsche Firmen irrelevant, weil die keine Interessen an Afrikas Öl hätten. „Die deutsche Regierung hat das irgendwie nicht begriffen“, sagt dazu Gavin Hayman von der britischen Forschungsgruppe Global Witness. „Sie könnte viel mehr bei Unternehmensgesetzgebung und EU-Entscheidungsprozessen tun.“

Unabhängig davon wird es Jahre dauern, bis EITI eine praktische Wirkung hat. Während Global Witness auf erste Erfolge zum Beispiel in Osttimor oder São Tomé noch in diesem Jahr hofft, dämpft Ministeriumssprecherin Phillips die Erwartungen: „Beim Kimberley-Prozess, der den internationalen Diamantenhandel reguliert, dauerte es drei Jahre, bis überhaupt über die Umsetzung geredet wurde“, sagt sie. „Es geht hier um lange Zeiträume.“ Bis dahin ist Afrikas Ölboom vielleicht vorbei.