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Archiv-Artikel

„Konfrontation ist eben mein Job“

Interview BERND PICKERT und PATRIK SCHWARZ

taz: Mr Perle, Sie gelten als härtester aller Hardliner, seit Sie 1981 unter Präsident Reagan Ihren ersten Job im Pentagon antraten. Nur eines am „Prinz der Finsternis“ scheint soft, fast engelsgleich: die sanfte Welle Ihres Haars. Warum tragen Sie keinen Offiziersschnitt?

Richard Perle: Weil dann völlig offensichtlich wäre, wie kahl mein Kopf ist. Aber im Ernst, ich weiß, dass ich als Hardliner gesehen werde, nur bin ich mir nie ganz sicher, was damit gemeint ist. Ich denke von mir, ich bin einfach realistisch und praktisch im Umgang mit der Welt.

Sie haben alles daran gesetzt, die Sowjetunion zu Fall zu bringen, Sie waren ein Verfechter des Wettrüstens, Sie wollten seit Jahren Saddam Hussein beseitigen: Was immer das Problem war, Richard Perle sah die Lösung stets in Konfrontation.

Das ist so, als sage man, dass ein Schuster immer einen Hammer in der Hand hält. Das ist nun mal, was ich mache: Ich arbeite auf dem Gebiet von internationaler Politik und Verteidigungs- und Sicherheitsfragen.

Muss es immer Gewalt sein?

Es gab auch Fälle, wo ich nicht für den Einsatz von Gewalt eintrat.

Zum Beispiel?

Ich habe nicht für Krieg gegen die Sowjetunion plädiert. Ich habe dafür plädiert, die Sowjetunion nicht als dauerhaft zu akzeptieren und ihre Macht einzugrenzen. Das Ergebnis war, dass der Kalte Krieg ohne Gewalt endete. War das falsch? Ich muss mich nicht entschuldigen für unseren harten Kurs während des Kalten Kriegs.

Aber von Reagans „Reich des Bösen“ bis zu Bushs „Achse des Bösen“ haben Sie die Gefahr übertrieben: die Sowjetunion kollabierte, die iranische Bedrohung in den 80ern war geringer als behauptet, und Irak …

Halt, halt! Die Sowjetunion ist nicht von selbst zusammengebrochen. Und unsere Beschreibung des militärischen Potenzials der Sowjets war ziemlich akkurat, wir zählten die Raketen, wir zählten die Panzer, wir zählten die Flugzeuge, und wir wussten einiges über ihre Kriegspläne.

Aber Sie haben die Stärke heillos überschätzt. Genau wie im Irak, wo die US-Regierung mit ihrer Einschätzung des Gefahrenpotenzials offenbar danebenlag.

Im Fall des Irak habe ich von Anfang an gesagt, es würde ein schneller Krieg werden. Insofern habe ich geglaubt, dass die Gefahr überzogen dargestellt wurde. Aber die Überschätzung kam von der Friedensbewegung, die ein Stalingrad am Euphrat prophezeite! Ich war sogar hier in Berlin in einer Talkshow, „Sabine Christiansen“, mit dieser sehr netten Frau von den Grünen, Claudia, Claudia …

Roth?

Claudia Roth! Nice person. Sie sprach von massiven Bombardements mit hunderttausenden von Toten. Vor dem Hintergrund der deutschen Erfahrung ist das verständlich, aber wir wussten: das wird nicht Dresden.

Trotzdem, die öffentliche Begründung für den Krieg lautete, dass der Irak eine unmittelbare Bedrohung für die USA und die Welt darstelle.

Es gab viele Gründe dafür, Saddam Hussein zu entfernen. Einer davon war die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen. Die Beweise, die die Unscom-Waffeninspektoren (im Jahr 1998) lieferten, waren überwältigend. Jeder akzeptierte das, jeder! Sogar Präsident Chirac!

Paul Wolfowitz, der Stellvertreter von Verteidigungsminister Rumsfeld, hat in seinem berühmten Interview mit „Vanity Fair“ zugegeben, dass die US-Regierung sich auf die Massenvernichtungswaffen konzentrierte, um der Öffentlichkeit den Krieg zu verkaufen.

Das ist nicht, was er gesagt sagt!

Okay, das ist eine Interpretation. Aber …

… Sie können nicht sagen, jemand sagt was, was er nicht gesagt hat, und es dann eine Interpretation nennen!

Sie haben eben selbst gesagt, es gab verschiedene Gründe für den Krieg – und die Massenvernichtungswaffen waren nur einer.

Absolut richtig.

Trotzdem hat Ihre Regierung im UN-Sicherheitsrat nur mit einem einzigen Argument operiert: Es gebe eine unmittelbare Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. Jetzt wissen wir: Davon konnte offensichtlich keine Rede sein.

Ich weiß nicht, wie Sie „unmittelbar“ definieren. Wenn Sie mit „unmittelbar“ meinen, wir standen davor, übermorgen oder nächste Woche oder nächsten Monat angegriffen zu werden, dann sage ich: Ich habe das nicht geglaubt, und ich kenne niemanden sonst, der das glaubte. Was ist „unmittelbar“? Ich weiß nicht, was Sie mit „unmittelbar“ meinen. Oder wollen Sie uns sagen, wir müssen bis zur letzten Minute warten, ehe wir irgendetwas unternehmen dürfen?

Nicht wir reden von einer unmittelbaren Bedrohung – die britische Regierung behauptete in ihrem amtlichen Bericht, Saddam Hussein könne Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten einsetzen.

Nein, das ist nicht, was der Bericht sagt. Der Bericht konstatiert, dass die Systeme innerhalb von 45 Minuten abgefeuert werden könnten, nachdem ein entsprechender Befehl dazu erteilt wurde. Mir hat bisher niemand gezeigt, dass diese Aussage falsch war.

Aber wenn Saddam so schlimm war, wie Sie vor dem Krieg sagten, hätte er die Waffen doch eingesetzt?

Sie hätten innerhalb von 45 Minuten nach einem Befehl abgefeuert werden können. Und ich glaube, dieser Befehl wurde nie gegeben. Ich bin überzeugt, die Waffen waren versteckt, und angesichts des Kriegsverlaufs waren Saddams Möglichkeiten eher begrenzt, die Waffen hervorzuholen.

Wenn er die Waffen noch hatte, warum tauchen sie jetzt nicht auf?

Weil gerade erst die Art von Kontrolle eingerichtet wird, die es braucht, um Dinge zu finden, die gut versteckt sind.

Das heißt, Sie stimmen zu: Ob der Krieg gerechtfertigt war, hängt davon ab, ob Massenvernichtungswaffen gefunden werden?

Nein. Ich glaube, der Krieg war als Befreiungskrieg gerechtfertigt. Das ist meine persönliche Ansicht. Es war nicht die Ansicht der Regierung. Die US-Regierung sah das nicht als hinreichend an, sie wollte andere Ziele erreichen, inklusive der Beseitigung von Massenvernichtungswaffen.

So wie der Krieg mit dem Versprechen begonnen wurde, eine Gefahr abzuwenden, wurde der Frieden mit dem Versprechen begonnen, Irak werde ein Schaufenster der Demokratie in Nahost werden. Warum ist davon so wenig zu sehen?

Geben Sie uns ein bisschen Zeit. In den ersten dreißig Tagen nach der Befreiung Frankreichs wurden 35.000 Franzosen von anderen Franzosen getötet, viele unter dem Vorwurf, Kollaborateure gewesen zu sein. Seit dem Ende des Irakkriegs sind zwei Monate vergangen. Ich kann nur davor warnen, voreilig zu urteilen.

Wie lange sollten die USA im Irak bleiben?

Bis wir einen anständigen Ort hinterlassen, wie lange auch immer das braucht.

Was sind die Standards dieser Regierung für Anstand? In den 80er-Jahren waren sie bekanntlich nicht sehr hoch: da zählte sogar Saddam Hussein zu den Freunden der USA.

Er war nie ein guter Freund der USA, da sollten wir nicht übertreiben! Er erschien als das geringere Übel.

Im Konflikt mit Iran war er ein Verbündeter.

Er war kein Verbündeter, das wäre zu viel gesagt. Wir haben ihm auch nie Waffen geliefert. Nie.

Wirklich?

Nein. Nie. Er bekam Waffen von Frankreich und Russland. Wir haben allerdings zugelassen, dass Dinge in den Irak gingen, die dort nicht hätten hingelangen sollen, aber das waren keine Waffen.

Anthrax, zum Beispiel.

Ich bin mir nicht sicher, was die Anthrax-Geschichte betrifft. Jedenfalls haben wir mit Sicherheit kein Anthrax hingeschickt, damit es als biologischer Kampfstoff eingesetzt wird. Das ist absurd. Es gab Anthrax, das in Labor-Situationen benutzt wurde. Richtig ist sicherlich, dass wir im Krieg zwischen Iran und Irak nicht wollten, dass Iran gewinnt. Und dafür zahlten wir einen hohen moralischen Preis.

Jetzt haben Sie die irakische Regierung gestürzt – was ist Ihr Ziel im Iran?

Regime change. Mit friedlichen Mitteln.

Warum diesmal friedlich?

Weil das immer besser ist. Das ist ein Regime, in dem eine Hand voll religiöser Fanatiker jeden Aspekt des öffentlichen Lebens diktiert, das Leben von Millionen von Iranern. Die mögen das nicht, das ist klar. Die Studenten protestieren. Ich dachte, Deutschland wäre immer auf der Seite der Studenten – wo seid Ihr denn heute? Nicht mehr auf Seiten der Studentenbewegung?

Sie gehören in Washington seit zwanzig Jahren zu den Hintermännern der Politik, die Sie einmal beschrieben als „Stadtguerilla in dunklen Anzügen, die nicht mit AK-47-Gewehren kämpft, sondern mit Aktennotizen und Positionspapieren“. Hat Ihre Truppe jetzt endgültig die Regierung übernommen?

Nein, nein, nein. Das Zitat stammt aus einem Roman, den ich mal schrieb. Aber es ist ein großer Fehler, vor allem der Europäer, zu denken, dass die Politik dieser Administration das Ergebnis einer kleinen Zahl von Leuten ist, die entweder den Präsidenten manipulieren oder sonstwie Druck ausüben. Unsere Argumente sind alle offen zugänglich, das ist keine Verschwörung.

Aber hatten Sie jemals mehr Einfluss als heute?

Ja, als ich ein junger Assistent im Stab eines Senators war. Das war vor 25 Jahren – und da musste ich nur einen Mann überzeugen. Verstehen Sie, es ist nicht so einfach, die Politik eines Landes zu ändern.

Es heißt, die Neokonservativen sind zahlreich in Washington.

Sie unterschätzen diesen Präsidenten. Er ist sehr intelligent. Und er ist sehr unabhängig. Und er sieht jeden Tag Berichte, die er nicht ignorieren kann: Wenn Terroristen eine Nuklearwaffe in die Hände bekommen, werden sie sie nutzen, um eine sehr große Zahl von Menschen zu töten. Wenn Sie dauernd diese Berichte bekommen, werden Sie wahrscheinlich ziemlich genau das tun, was dieser Präsident tut.

Michael Moore schreibt dazu in seinem Buch „Stupid White Men“, die Regierung Bush fache die Furcht ihrer Bürger vorsätzlich an.

Ich weiß, dass Michael Moore in Deutschland sehr beliebt ist. Aber wenn Moore Ihre beste Grundlage für ein Urteil über Weltpolitik ist – viel Glück!