: Schlechtscheine sind ausgegangen
Behörde räumt ein: Kita-Etat ist ausgeschöpft. Mindestens 4000 Plätze werden nicht besetzt. Senator empfiehlt sozial Schwachen, einen Krippenplatz für schlappe 1000 Euro selbst zu suchen. Träger sind empört
Die Kita-Kasse ist leer. Etwa 50.000 Gutscheine sind bislang vergeben worden, erklärte gestern Bildungssenator Rudolf Lange (FDP), weitere 3900 sollen bis zum „Systemstart am 1. August voraussichtlich positiv beschieden werden“. Damit wird klar, dass die Einführung des Kita-Gutscheinsystems auf Anhieb fast ein Zehntel der jetzt 58.000 Plätze vernichtet. „Milchbubenrechnung“, so der knappe Kommentar von SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer.
Caritas-Sprecher Norbert Keßler sagte gestern, die Kita-Träger der freien Wohlfahrtspflege (20.000 Plätze) fühlten sich „verschaukelt“. Die Behörde habe immer wieder versichert, es werde keinen Platzabbau geben. Keßler: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das System in ruhiges Fahrwasser kommt, wenn die Stadt nicht zusätzlich Geld gibt.“
Hochgerechnet auf die Kita-Einrichtungen bedeuten die Zahlen, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Einrichtungen und somit auch der Erzieherinnenarbeitsplätze ab August nicht finanziert sind. Keßler weist darauf hin, dass gerade die freien Träger keineswegs voll ausgelastet sind, teilweise gebe es nur Belegungen zwischen 20 und 30 Prozent.
Das Finanzloch im Kita-Etat kommt unter anderem durch die Beitragsabsenkung um durchschnittlich zehn Prozent zustande. Senator Lange hatte zur Gegenfinanzierung dieser Absenkung kein zusätzliches Geld eingeplant. Wie aus Kita-Kreisen verlautet, hatte der vor kurzem pensionierte Abteilungsleiter Jürgen Näther davor gewarnt. In der Juni-Ausgabe der Fachzeitung Kita-Aktuell distanziert sich Näther nun von seinem Senator: „Es gibt Politiker, die für ihre Programme werben, indem sie sie als uneingeschränkt vorteilhaft beschreiben“, schreibt er in einem Artikel mit der Überschrift „Kita-Gutscheinsystem: Idee gut – Umsetzung katastrophal?“. Wer glaubwürdig sein wolle, müsse auch Interessengegensätze redlich ermitteln und benennen, damit nicht negativ Betroffene ihn „mit Recht der Täuschung zeihen“.
Noch Hoffnungen machen können sich rund 3900 berufstätige Eltern, die auf der Warteliste stehen. Die übrigen der etwa 4000 weiteren unbearbeiteten Anträge betreffen die Prioritäten sechs und sieben: Eltern mit „sonstigem sozialen Bedarf“ und „Arbeitssuchende“. Ihnen empfiehlt der Senator, einen „nicht geförderten“ Platz für den Nachwuchs zu suchen. Bei Kosten von 416 Euro für einen Hort- und 1007 Euro für einen Krippenplatz findet Böwer dies schlicht „zynisch“. KAIJA KUTTER