: Zwischenstand: Schily sauer, Grüne auch
Vielleicht finden ja Kanzler Schröder und Außenminister Fischer eine Lösung in der Frage, ob und wie Rot-Grün weiter übers Zuwanderungsgesetz verhandeln soll. Zwischen Innenminister und grünen Innenpolitikern jedenfalls ist der Draht tot
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
SPD und Grüne sind sich einig: Man wird sich einigen müssen. Wegen der Zuwanderung will niemand die Koalition aufs Spiel setzen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Suche nach einer Lösung schwierig bleibt. Auch gestern blieben beide Regierungsparteien bei ihren gegensätzlichen Standpunkten in der Frage, ob die Verhandlungen mit der Union fortgesetzt werden sollten oder nicht. Die SPD sagt Ja, die Grünen sagen weiter Nein.
Es spricht viel dafür, dass der Konflikt auf höchster Ebene bereinigt werden muss – also zwischen Regierungschef Gerhard Schröder und Vizekanzler Joschka Fischer. In Berlin hieß es gestern, die beiden wollten sich noch vor der Koalitionsrunde am Freitag treffen, um eine gemeinsame Linie zu finden.
Zwischen Innenminister Otto Schily (SPD) und den Grünen scheint eine Verständigung jedenfalls im Moment nicht möglich. Bei Schilys Streit mit seinen früheren Parteifreunden geht es längst nicht mehr allein um unterschiedliche Einschätzungen der Zuwanderungspolitik. Ganz offensichtlich entlädt sich hier auf beiden Seiten sehr viel Frust, der sich in sechs Jahren gemeinsamer Regierung und vieler Kontroversen aufgestaut hat. Und natürlich geht es um die alte Frage: Wer ist stärker?
Schily hatte sich bereits am Montag deutlich verärgert gezeigt, dass die Grünen den Ausstieg aus den Verhandlungen verkündet hatten, ohne ihn vorab zu informieren. Spontan sprach er von einer „ernsten Krise in der Koalition. Jedenfalls was meine Person angeht.“ Wer das als verdeckte Rücktrittsdrohung verstehen wollte, wurde gestern von Schilys Sprecher belehrt: „Der Innenminister droht nicht mit seinem Rücktritt, sondern setzt sich durch.“
Nur wie? Dass die Grünen wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren, wie es Schily will, kann sich auch bei der SPD kaum jemand vorstellen. Dafür war die Festlegung von Grünen-Chef Reinhard Bütikofer („Das Spiel ist aus“) zu eindeutig. Eine erneute Kehrtwende wird die grüne Führung auf dem kleinen Parteitag am Samstag in Berlin nicht erklären können. Schon ist davon die Rede, man könnte eine endgültige Lösung des Problems auf einen Termin nach der Europawahl im Juni vertagen.
Der Kanzler hält sich bislang zurück. Regierungssprecher Béla Anda sagte gestern aber, dass Schröder Schilys Haltung stütze. Die Verantwortung für eine Einigung sollte „nicht einseitig“ abgegeben werden. Öffentlich Druck ausüben will Schröder nicht. Gefragt nach den Aussichten, ob es noch gelingen könne, die Grünen zur Rückkehr zu überreden, sagte Anda: „Ich wage da keine Prophezeiungen.“
Erschwert wurde die Lösung durch neue, wechselseitige Vorwürfe. Schily sei bei den Verhandlungen mit der Union von der Koalitionslinie abgewichen, sagte der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Josef Winkler, der taz. „Vor allem in der Endphase war es so, dass die Union ständig mit Forderungen kommen konnte, die der Bundesinnenminister absprachewidrig formuliert hatte.“ Als Beispiel nannte er die so genannte Sicherungshaft für Terrorverdächtige und weitere Verschärfungen bei den Abschiebungsregelungen. „Das hat sicher nicht geholfen“, schimpfte Winkler. Auch Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele nannte die eigenständigen Vorstöße Schilys „überhaupt nicht besonders geschickt“. Schilys Sprecher hielt dem entgegen, es gebe „keinerlei Vorwürfe in unsere Richtung, die berechtigt wären“. Den Grünen warf er vor, sie unterschlügen die Fortschritte, die mit der Union bereits erzielt worden seien. Über einen neuen Anlauf im Zuwanderungsbereich ohne die Union, den die Grünen vorgeschlagen hatten, denke Schily gar nicht nach.