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Archiv-Artikel

die anderen über den streik der ostdeutschen metaller und angela merkels dilemma

Zu den Streiks in Deutschland meint die römische Zeitung La Repubblica: Ein Unwetter des sozialen Konflikts prasselt auf Deutschland nieder, das bereits von der Rezession auf die Knie gezwungen ist, und trifft jetzt auch das Herz der Autoindustrie, dem Motor des Exports made in Germany. Ein Hersteller der Autoindustrie nach dem anderen sieht sich gezwungen, die Produktion zu stoppen, weil er kein Material aus dem Osten mehr bekommt. Das Klima ist schlecht, eine Spaltung des Landes droht: Große Unternehmen erwägen einen Investitionsstreik in der Ex-DDR, der wiederum eine „Mauer des Kapitals“ an Stelle der 1989 eingestürzten Schandmauer errichten würde.

In der österreichischen Tageszeitung Der Standard heißt es zum selben Thema: Dass die Beschäftigten in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie um drei Stunden pro Woche länger als ihre Kollegen im Westen arbeiten müssen, ist ungerecht. Da die Wiedervereinigung schon vor fast dreizehn Jahren vollzogen wurde, ist die wachsende Ungeduld verständlich. Aber die IG Metall muss sich trotzdem die Frage gefallen lassen, ob der Zeitpunkt für einen Streik zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche klug gewählt war. Bei diesem Arbeitskampf steht viel auf dem Spiel. Ostdeutschlands Industrie hat es geschafft, sich allmählich wieder an die westliche Konkurrenz heranzukämpfen. Es hat sich herumgesprochen, dass dort auch Kostenvorteile und große Flexibilität winken. Machten Konzerne ihre Drohung wahr, mit Produktionsstätten nach Osteuropa abzuwandern, hätte die IG Metall den Arbeitnehmern in Deutschland einen Bärendienst erwiesen.

Und zur Frage, wer die Sozialpolitik der Union verhandeln soll, meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wer sollte bei Verhandlungen mit der Regierung an seine [Seehofers] Stelle treten? In Frage käme letztlich nur der hessische Ministerpräsident Koch, der ist jedoch Ministerpräsident, nicht Bundestagsabgeordneter. Wegen Seehofers Unentbehrlichkeit kann Frau Merkel aber auch keine Bedingungen stellen. Er soll künftig die Linie der Union vertreten: Kann denn Linie sein, was der formal und inhaltlich dafür ausgewiesene und zuständige Politiker unverantwortlich findet? Dann muss ein anderer auf den Platz. Oder man hätte es so weit gar nicht erst treiben dürfen: ein Führungsfehler der Chefin, und nicht der erste speziell dieser Art. Dahinter stehen aber nicht nur persönliche Auseinandersetzungen, sondern auch ein grundsätzlicher sachlicher Konflikt über das Sozialverständnis der Union.