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Dienstfahrt ins Blaue

530 Euro pro Stück – PolizistInnen wollen ihre blauen Uniformen selbst bezahlen. Andere StaatsdienerInnen sollten sich daran ein Beispiel nehmen, statt übers Weihnachtsgeld zu jammern

von PETER AHRENS

Hamburgs PolizistInnen haben es offenbar nicht besser verdient. Die Innenbehörde hat gestern mit vor Stolz berstender Brust verkündet, es hätten sich zahlreiche FreundInnen und HelferInnen freiwillig bei der Behörde gemeldet – mit dem Ansinnen, ihre blauen Polizeiuniformen aus eigener Tasche vorzufinanzieren. Um endlich in den Genuss des azurfarbenen Tuches zu kommen, wollen sie 530 Euro hinblättern, um den notleidenden Senat zu entlasten – der im Gegenzug den StaatsdienerInnen gerade Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzt. Die Frage, wie doof man sein darf, um in Hamburg Polizeidienst zu schieben, muss in diesem Zusammenhang zwangsläufig gestellt und ernsthaft debattiert werden.

Bisher haben sich die OrdnungshüterInnen der Hansestadt in der Vergangenheit vorrangig dadurch ausgezeichnet, dass sie militärische feierliche Gelöbnisse und Nazikundgebungen mit vollem Körpereinsatz zu schützen bereit waren. Gern haben sie auch SchwarzafrikanerInnen und Bambule-SympathisantInnen gezeigt, wo der Bartel den Most herholt. Geschenkt.

Aber jetzt muss auch ernsthaft am Geisteszustand der Ordnungsmacht gezweifelt werden. Weil die Sponsoren erst 100.000 Euro locker gemacht haben – im Vergleich zu Corny Littmanns Retter-T-Shirt natürlich eine lächerliche Summe – betteln die PolizistInnen nachgerade darum, die Dienstkleidung, die ab September eingeführt werden soll, aus eigener Tasche zu bezahlen – selbst die Behörde hat sich nach eigener Auskunft darüber „überrascht“ gezeigt.

Die Wahrheit ist jedoch: Die PolizistInnen sind überhaupt nicht dumm, sondern Trendsetter im Öffentlichen Dienst, das gute Beispiel für andere staatliche Diensttuende. So lassen die LehrerInnen künftig unter sich den Klingelbeutel herumgehen, um neues polsterbesetztes Schulklassenmobiliar zu finanzieren. „Es sitzt sich in einem Stilwerk-Möbelstück einfach besser“, zeigen sich die ersten PädagogInnen begeistert von dem Projekt.

Die Feuerwehrleute verzichten großherzig auf ein Drittel ihres Gehaltes, damit die Schläuche künftig aus feinstem italienischen Leder gearbeitet sind. „Aus den alten Schläuchen kam ja nur olles Wasser“, rümpft Kreisbrandmeister Johann K. die Nase. Er und seine Kollegen wollen künftighin die 80-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich anbieten, damit französischer Bordeaux-Wein aus den Schläuchen fließe.

Finanzsenator Peiner (CDU) und Innensenator Schill sind zufrieden. „Na, wenn die Bediensteten so mitziehen, verdienen sie eine Belohnung“, gibt sich der Senat großzügig. So sollen anstelle des Weihnachtsgeldes ab diesem Jahr Senatsmitglieder und Staatsräte als Nikoläuse verkleidet zum Feste in BeamtInnen-Wohnungen auftauchen und Bescherung machen. Geschenke haben sie zwar nicht dabei, dafür hat Peiner versprochen, er werde als Knecht Ruprecht „die Rolle meines Lebens abliefern“. Oh, du fröhliche.

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