: Der Mann an der Rampe: Joachim Erwin
Der Oberbürgermeister der NRW-Landeshauptstadt biwakiert seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit. Motto: Wo Joachim Erwin ist, muss oben sein. In Düsseldorf geht der erste Mann der Stadt vielen nur noch auf die Nerven
Der Mann steht da und grinst. Joachim Erwin grinst im VIP-Zelt von Fortuna Düsseldorf jetzt schon seit fünf Minuten und redet von der deutschen Meisterschaft. „Meine Vision ist, dass Fortuna 2012 deutscher Meister wird“, sagt der kleine Mann im weißen Regen-Anorak. Der Düsseldorfer Oberbürgermeister ist Aufsichtsrat-Chef der Fortuna, die gerade ihren Aufstieg in die Regionalliga feiert. Joachim Erwin ist mit aufgestiegen. Wenn Fortuna gewinnt, siegt der CDU-Politiker immer mit. Wenn Fortuna mal ein Viertliga-Spiel verliert, hat Herr Erwin damit nichts zu tun. Wo Joachim Erwin ist, soll oben sein.
Sein Engagement für den Fußball-Traditionsclub aus dem Stadtteil Flingern ist nur eine Nuance im vielfältigen Amtsgebaren des Düsseldorfer Rathauschefs. Erwin macht in der Landeshauptstadt alles. Seit seinem knappen 1999er-Wahlsieg bei der OB-Stichwahl gegen SPD-Vorgängerin Marlies Smeets kümmert sich der Konservative um den Hundekot in der Altstadt, um Olympia-, WM- und Kulturhauptstadtbewerbungen, um den politischen Kleinkrieg –um alles eben. Für Erwin-Kritiker ist der OB einfach nur eine „politische Rampensau“, ein kleiner, hektischer Mann ohne Fortüne und kontinuierliche Haarfarbe. Für die betuliche Düsseldorf-CDU ist der Rechtsanwalt aus wohlhabendem Familienumfeld weiter der richtige Mann. Wie kein anderer CDU-Rathauschef in NRW verkörpert Erwin seit fünf Jahren den Typus des politischen Reinemachers, der nach langer SPD-Herrschaft mal so richtig ausmistet.
Sauber, schick und wohlhabend – so stellt sich Erwin seine Stadt vor. Wer dieser „Vision“ in die Quere kommt, wird angegrinst – oder Schlimmeres. Sinti und Roma aus Ex-Jugoslawien mobbte der OB mit windigen Tricks aus der Landeskapitale. „Patrouillen“ des Ordungsamts vertrieben Bettler und Punks von der „Kö“. Einen missliebigen PDS-Politiker, der die kläglich gescheiterte Olympia-Bewerbung Düsseldorfs kritisiert hatte, beschimpfte Erwin als „verrückten Kommunisten“. Als ihm das Düsseldorfer Landgericht diese Aussage untersagte, reagierte der OB mit Justizschelte: Es sei „schon verwunderlich, wie die letzten Protagonisten kommunistischen Denkens deutsche Gerichte für ihre Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisieren können“.
Die Episode zeigt Erwins Politikstil. Jede Niederlage deutet der Christdemokrat zum moralischen Sieg um, hinter jedem Misserfolg vermutet der Stadtchef ein Komplott seiner politischen Gegner. Als kurz vor Weihnachten 2003 bekannt wurde, dass Erwin Probleme mit dem Finanzamt und seinen Steuererklärungen hat, machte der Düsseldorfer Stadtchef den vermeintlichen Drahtzieher schnell ausfindig. Die Information über das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung – das Ehepaar Erwin soll Zinserträge in fünfstelliger Höhe nicht versteuert haben – kann nach seiner Ansicht nur von der Justiz an einen Journalisten „durchgestochen“ worden sein. Hinter allem stecke die rot-grüne Landesregierung, die einem „erfolgreichen OB“ ans Zeug flicken wolle, so Erwins Version.
Erwins jüngstes Ablenkungsmanöver: Als Düsseldorf in der vergangenen Woche bei der NRW-Kriminalitätsstatistik schlecht abschnitt, gab der OB dem Polizeipräsidenten die Schuld. Erwin bemängelte die schlechte Aufklärungsquote in Düsseldorf und meckerte, der Polizeichef habe die Sicherheitslage nicht im Griff. Der Angegriffene wehrte sich öffentlich gegen die „Unverschämtheit“ des OB.
Derartige Scharmützel legen die Nervosität von Joachim Erwin offen. Bei der Kommunalwahl im Herbst könnte es eng werden für den Oberbürgermeister, der vielen in der Stadt nur noch auf die Nerven geht. Seine SPD-Herausforderin Gudrun Hock rechnet sich Chancen aus, dass die Wähler nach fünf Jahren Erwin mehr als genug haben. MARTIN TEIGELER