: Schily taktiert und nähert sich der CDU an
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wendet sich gegen zu viel EU-Harmonisierung in der Flüchtlingspolitik
BERLIN taz ■ Entweder integrativer EU-Politiker oder Vater des Zuwanderungsgesetzes – beides zugleich kann Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nicht sein. Denn wenn er die EU-Richtlinie zur Flüchtlingspolitik passieren lässt und Europa so zu einer einheitlichen Politik verhilft, dann hätte er keine Verhandlungsmasse mehr, mit der er die Opposition in Deutschland vom Zuwanderungsgesetz überzeugen könnte.
Die Punkte, die auf Drängen der Grünen in das Zuwanderungsgesetz gelangt waren und die die CDU verhindern möchte, wären dann schon EU-Recht, etwa der Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung als Asylgrund. Der Vermittlungsausschuss, in dem Regierung und Opposition einen Kompromiss aushandeln, hätte zu der Frage also nicht mehr viel zu vermelden.
Auf dem dritten Symposium des UN-Flüchtlingshilfswerks herrschte deshalb eine verkehrte Welt: Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, die die EU-Politik ansonsten misstrauisch beäugen, traten vehement für eine Vergemeinschaftung der Asylpolitik ein. Und Otto Schily, der die historische Bedeutung und die Vorzüge der EU allenthalben anpreist, warnte vor zu viel Gemeinschaft in Sachen Flüchtlinge.
Schily schien via die aufgestellten Fernsehkameras mehr zur Union als für seine Zuhörer zu sprechen. Nein, eine Harmonisierung der Asylpolitik sei nicht unbedingt erstrebenswert, sagte er und warnte davor, dass eine Scheinharmonisierung die Gegensätze in der EU nur verstärkt. „Länder mit einem hohen Zustrom von Flüchtlingen wollen an ihrem System festhalten, das sich bewährt hat.“
In welchem Land sich das System bewährt hat, das hatte Schily schon in seiner Rede herausgestrichen: in Deutschland, wo sichere Drittstaaten und Herkunftsländer und das so genannte Flughafenverfahren dafür sorgen, dass nicht zu viele Menschen einen Anspruch auf Asyl geltend machen können.
Kurze Zeit später sprach Kerstin Müller, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt und Grüne. Auch sie wandte sich nicht nur an ihre Zuhörer, sie redete auch zum Regierungspartner. Wie die gesamten letzten Jahre hindurch spulte sie den grünen Kern des Zuwanderungsgesetzes herunter: endlich nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgungen als Fluchtgründe anzuerkennen. MAREKE ADEN