: Raab sitzt Max im Rücken
Countdown zum Eurovision Song Contest (1): Max’ erste Song-Probe und eine Überraschung von Stefan Raab
Die Grand-Prix-Fans wollen ihn nicht auf der Rechnung haben. Max gilt ihnen als viel zu naturbelassen. Auf den Rängen der Abdi Ipekci Arena, wo Presse und Fans einen Hochstand mit bestem Blick zur Bühne eingerichtet bekommen haben, lästerte man: „Hat er seine Augenbrauen gezupft?“, „Ist ja wirklich nur ’n T-Shirt, was er trägt“ oder: „Beim Frisör war er auch nicht.“
Allesamt Aussagen von großer Wahrhaftigkeit: Max heißt das Produkt. Es verkörpert am 15. Mai den Wunsch von 80 Prozent aller Deutschen, den Eurovision Song Contest zu gewinnen – und hat sich im Grunde kein bisschen dem klassischen, freilich engen Begriff von Glamour genähert: Er sieht immer noch so aus, als habe es ihn aus einem autonomen Jugendzentrum an der deutsch-schweizerischen Grenze auf die Glasplatten jener Arena getrieben, auf denen sein Mentor Stefan Raab beweisen will, dass sich Eurovisionsmusik aus Deutschland nicht im Werk & Schaffen eines Ralph Siegel erschöpft – und in dessen ewigem Lamento, dass Deutschland nie genug Punkte erhalte, weil es eben Deutschland sei.
Dass diese, Raab vielleicht selbst unbewusste Intention der Vorliebe von Grand-Prix-Fans für billigen Glitter und wohlfeilen Flitter nicht entspricht, scheint dem Team um Max egal zu sein: Man lacht und scherzt während der ersten Mikro- und Lichtproben. Überraschend war nur eine Nachricht: Stefan Raab wird offenbar selbst am Samstag auf der Bühne sitzen – als Backgroundgitarrist.
Dass die Klänge der Instrumente ausschließlich vom Band kommen werden, ist einerlei: Raab mag eben den Grand Prix und will deshalb auch ein sichtbarer Teil des Events werden.
Das war ja schon 1998 so, als alle Welt von Guildo Horn sprach – aber kaum jemand davon, dass Raab himself den Song schrieb und arrangierte. „Der Meister“, wie Horn damals hieß, ohne Raab europaweit im Fernsehen? Nein, das sollte nicht sein – weshalb sich der TV-Total-Moderator dazu entschloss, den Dirigenten zu geben, obwohl die Männer mit dem Taktstock in jenem Jahr nicht mehr benötigt wurden. Aber Raab wollte unbedingt – und so durfte er vier Sekunden lang den Fake-Conductor geben. Lächelnd, sehr sogar: Mehr wollte er ja nicht.
Max, alles in allem, wirkt ziemlich unbelastet angesichts des Trubels, der sich in der 14-Millionen-Stadt am Bosporus langsam aufbaut: Sagt bei der Pressekonferenz, ihn freue es, dass es nun losgehe; dass Istanbul schön sei; dass er bereits in der Türkei gewesen sei; und dass er natürlich unter Lampenfieber leide, wenn es darauf ankomme. Das wiederum versöhnte die Fans mit ihm: Ist doch ganz natürlich – die Angst des Künstlers vor dem Rotlicht der Kameras und dem Publikum, das einen vielleicht nicht so liebt, wie man es gerne hätte. „Max ist süß“, sagte ein norwegischer Fan und Journalist von der Boulevardzeitung VG, „so einer kann gewinnen.“
Das wiederum glauben nur die britischen Wettbüros – Max liegt dort hinter dem Griechen. Das kommt womöglich Raabs Ambitionen am nächsten: Den Max-Song im United Kingdom zu veröffentlichen. Das gelang, deutscherseits, zuletzt Nicole mit „Ein bisschen Frieden“.
„Pop-Bitch“, eine Internetlästerbörse, eine Art Vatikan der wahren Popströme, erklärte Max’ Song zum wichtigsten Song dieses ESC-Jahres. Die Show geht weiter. JAN FEDDERSEN