: Fiesta mit Schauspieler und Dreckschleudern
In den Philippinen hat Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo gute Chancen, sich bei den heutigen Wahlen gegen ihren Herausforderer, den Schauspieler Fernando Poe, zu behaupten. Die nötigen Reformen sind nicht in Sicht
MANILA taz ■ „Was ich von Fernando Poe halte?“ Taxifahrer Alberto R. Rosales schlägt die Hände über den Kopf. Poe sei doch nicht wählbar. Er wolle heute seine Stimme Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo geben. Sein Kollege widerspricht: Er habe sich für Expolizeichef Panfilo Lacson entschieden. Eine Straßenverkäuferin schüttelt darüber nur den Kopf: Sie outet sich als Fan von Filmstar Fernando Poe. Ihr Handkarren ist voller Poe-Bilder. In Manila ist vor den heutigen Wahlen jede freie Fläche mit Wahlpostern zugeklebt.
Philippinischer Wahlkampf ist eine Mischung aus Fiesta und Popkonzert, auch wenn er unter massiven Sicherheitsvorkehrungen stattfindet. Soldaten und Polizei patrouillieren durch die Stadt, in der Angst vor Anschlägen muslimischer oder kommunistischer Rebellen herrscht. 43 Millionen Wähler sind in dem überwiegend christlichen Land aufgerufen, einen Präsidenten, dessen Stellvertreter sowie Senatoren, Kongressabgeordnete und lokale Parlamente zu bestimmen. Seit gestern dürfen keine Kampagnen mehr stattfinden. Stattdessen beteten die Präsidentschaftskandidaten gemeinsam in einer Kathedrale für „faire, gewaltlose und glaubwürdige Wahlen“.
Doch die politische Schlammschlacht hat längst begonnen. Laut Umfragen führt Amtsinhaberin Arroyo mit 37 Prozent und liegt damit knapp 7 Prozent vor dem aussichtsreichsten Herausforderer, dem Schauspieler Fernando Poe Jr. Die Opposition um Poe, der besser unter seinem Kürzel „FPJ“ bekannt ist, wirft Arroyo vor, sie und ihr Apparat hätten die Umfragen manipuliert. Die Regierung wolle damit die Unentschlossenen, die noch rund ein Drittel ausmachen, für Arroyo einnehmen. Poe hatte zu Jahresbeginn noch die Umfragen geführt.
Auch kursieren Gerüchte, Militär und Polizei sollten bei der Stimmenauszählung zugunsten der Amtsinhaberin „nachhelfen“. Darauf beschuldigte Arroyos nationaler Sicherheitsberater Norberto Gonzales seinerseits Anhänger Poes, gegen die Regierung zu konspirieren.
„Tanzen, Singen, den Gegner mit Dreck bewerfen!“, fasst Kommentator Earl Parreno das Credo philippinischer Politik zusammen. Wenige reiche Clans bestimmen die Geschicke des Landes, während 40 Prozent der Bevölkerung mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen müssen. Nichts wünschen sich die Mittellosen sehnlicher, als dass die massiven Probleme der Armut, Korruption und Staatsverschuldung gelöst werden.
Neben Arroyo und Poe werben noch Expolizeichef Lacson, der frühere Senator Paul Roco sowie ein Fernsehprediger und Sektenführer („Brother Eddie“) um die Gunst der Wähler. Laut Umfragen sind sie jedoch chancenlos.
Arroyo gilt als das kleinere Übel. Die in den USA ausgebildete Ökonomin verweist darauf, dass nur sie genügend politische Erfahrung mitbringe, um dem Land zu helfen. Dabei vermochte die Tochter des früheren Präsidenten Diosdado Macapagal, seit ihrem Amtsantritt 2001 keine Reformen durchzusetzen. Auch leidet sie unter Korruptionsvorwürfen gegen ihren Mann, und viele erinnern sich an die Militärrebellion vom vergangenen Juli. Damals forderten die Meuterer Arroyos Rücktritt.
Arroyo mangelte es bisher an Legitimation. Ihr Amt verdankt sie dem Sturz ihres korrupten Vorgängers Joseph Estrada, der durch Massenproteste aus dem Amt gejagt worden war. Arroyo wurde verfassungsgemäß seine Nachfolgerin und kann, da als Präsidentin nicht gewählt, jetzt noch einmal antreten, obwohl die Verfassung eigentlich nur eine Amtszeit vorsieht.
Als sie zunächst angab, nicht mehr kandidieren zu wollen, herrschte Erleichterung. Denn selbst frühere Anhänger waren sich einig, dass „mit Gloria kein Staat mehr“ zu machen sei. Doch später änderte sie ihre Meinung und schaffte es im März, Schauspieler Poe vom ersten Platz in den Umfragen zu verdrängen. Das sei nicht erstaunlich, meint Joel Rocamora vom Institute for Popular Democracy. Denn schließlich habe sie eine Unzahl von Helfern gehabt, deren wichtigster ausgerechnet ihr Konkurrent Poe sei. Denn der zunächst hoch gehandelte Filmstar ließ keinerlei politische Programmatik erkennen, die er offenbar auch nicht hat, und demontierte sich so selbst. Zudem hat der Schulabbrecher und bisherige Lebemann keinerlei politische Erfahrung. Nachdem das Land mit Poes Freund Estrada schon sehr schlechte Erfahrungen mit einem Schauspieler-Präsidenten machte, scheint Arroyo zumindest für die Wirtschaft das geringere Risiko. NICOLA GLASS