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Archiv-Artikel

Staat droht 50-Milliarden-Loch

Steuerschätzer rechnen mit Minus von 50 Milliarden Euro bis 2007. Defizitgrenze könnte 2005 überschritten werden. Verkauf von Auslandsforderungen erwogen

BERLIN rtr/dpa ■ Bund, Ländern und Kommunen drohen bis Ende 2007 Steuerausfälle von rund 50 Milliarden Euro. Nach Angaben aus Steuerschätzerkreisen erwartet Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) in diesem Jahr 7,5 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als noch im November 2003 geschätzt. Im kommenden Jahr sollen es sogar 14 Milliarden Euro weniger sein. Für 2006 und 2007 rechnet das Ministerium laut der Vorlage für die am Donnerstag anstehende Steuerschätzung nun mit Steuerausfällen von 15 Milliarden beziehungsweise 13 Milliarden Euro. Eichel selbst schloss erstmals nicht mehr aus, dass Deutschland im kommenden Jahr erneut gegen den EU-Stabilitätspakt verstoßen könnte.

Ein Sprecher des Finanzministeriums wollte die Angaben weder bestätigen noch dementieren. Die endgültigen Zahlen würden erst nach den zweitägigen Beratungen der Steuerschätzer am Donnerstag in Gotha vorgelegt. Der Steuerschätzer-Kreis mit Vertretern der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie des Bundes- und der Länderfinanzministerien legt zweimal jährlich seine Prognose vor.

Während der Vorlage zufolge die Einnahmen der Gemeinden 2004 durch das im Dezember beschlossene kommunale Soforthilfeprogramm um 2,5 Milliarden Euro steigen, werden den Ländern rund 1,5 Milliarden und dem Bund 7,6 Milliarden Euro fehlen. 2005 läge das Minus im Vergleich zur Schätzung vom Mai 2003 für den Staat bei rund 14 Milliarden Euro. Davon entfielen 8,5 Milliarden auf den Bund und 7,5 Milliarden auf die Länder, die Gemeinden hätten indes 2,3 Milliarden Euro mehr. 2006 werden 15,3 Milliarden Euro weniger Staatseinnahmen erwartet, 2007 rund 13,1 Milliarden. In die Vorlage sind alle Steuerrechtsänderungen – etwa das Vorziehen der Steuerreform – eingearbeitet, die nach der vorhergehenden Schätzung beschlossen wurden. Sie berücksichtigt zudem die Entwicklung der Steuereinnahmen im April und die jüngste Wachstumsprognose der Regierung.

Aus Koalistionskreisen hieß es, man prüfe, ob ein Verkauf von Auslandsforderungen etwa an private Banken in Frage komme. Mit dem Erlös könne die Neuverschuldung 2005 gedrückt werden. Damit könne man dem Ziel eines verfassungsmäßigen Haushalts näher kommen, bei dem die Investitionsausgaben höher sind als die Neuverschuldung. Die Forderungen Deutschlands an andere Staaten betragen dem Finanzministerium zufolge knapp 50 Milliarden Euro.