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Archiv-Artikel

Bescheidener Mäzen

Die American Academy erinnert an den Bankier Stephen Kellen. Einen Mann, der lieber fragte, als zu referieren

Viel Prominenz und Berlins Hautevolee waren gestern in die American Academy gekommen, um einen Mann zu ehren, der ein wundervoll altmodisches Verhältnis zu seiner Heimatstadt pflegte. Er war einer der wenigen Mäzene, die diese Stadt noch hat.

Stephen M. Kellen, 1914 in Berlin geboren, lebte zwar die meiste Zeit seines langen Lebens nicht hier, sondern in New York, doch blieb er Berlin stets verbunden. Aber nur Berlin, nicht Deutschland, betonte er, um klar zu machen, dass die Emigration in den 30er-Jahren für den Halbjuden nicht aus freien Stücken geschah. Er und seine Frau Anna-Maria, beide im Grunewald aufgewachsen, hatten die notwendige Fortune, um als „Philanthropen“ Gutes zu tun.

Bis zu seinem Tod im Februar belebte den erfolgreichen Bankier und Millionär Kellen die Neugier an der Welt, wie sie ist – und nicht, wie er sie sich dachte. Einen Nachmittag im seinem luxuriösen Wohnhaus in Manhattans Upper Eastside konnte er mit der gleichen Ernsthaftigkeit zwei jungen Berliner Journalisten widmen, deren Rechercheaufenthalt in den USA er ermöglichte, oder dem Aufsichtsrat der Carnegie Hall. Und was außergewöhnlich war: Er stellte, statt selbst zu referieren, gerne viele kluge Fragen – und hörte den Antworten aufmerksam zu.

Stephen Kellen, eigentlich Stephan von Katzenellenbogen, steht für eine Bescheidenheit, die selbst Misstrauische überzeugte. Er war diskret und großzügig, so wie man sich einen Mäzen nur wünschen kann. Ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann, machte er das Bankhaus Arnhold und S. Bleichröder, dessen Mitgesellschafter er seit 1940 war, zu einer internationalen Investmentschmiede und wurde eine große Figur in der amerikanischen Bankenwelt. Er spielte eine tragende Rolle für das Engagement amerikanischen Kapitals im Nachkriegsdeutschland. Er ermöglichte die jährlichen Gastspiele der Philharmoniker in New York und ließ das Heine-Denkmal der Stadt wieder aufstellen, er saß in den Aufsichtsgremien der Carnegie Hall, der Nationalgalerie in Washington u. a. und war Hauptunterstützer und Gründer der American Academy in Berlin, der er und seine Frau die Villa Arnhold, eine schlossartige 40-Zimmer-Immobilie, einst im Besitz von Anna-Maria Kellens Familie, schenkten.

„Brücken“, das Wort war Stepehn Kellen wichtig, Verbindungen von der Alten in die Neue Welt, denn er glaubte bis zum Schluss daran, dass beide Welten zusammen eine bessere ergeben können. „Brücken zu bauen“ legte er all jenen nah, die er förderte, denen er unaufdringlich Chancen ermöglichte. Der Tod Kellens ist nicht nur für Fans der transatlantischen Beziehungen ein Verlust – sondern für ganz Berlin. ADRIENNE WOLTERSDORF