: Alles nur aus Liebe
Im Landesverband der Bremer Amateurtheater sind 25 Ensembles eingetragen. Auch wenn viele Laienbühnen nur einen Sommer lang spielen, die Szene ist quicklebendig. Und manche der Hobby-Truppen blicken bereits zurück auf etliche selbstproduzierte Theater-Ereignisse
Blickt man sich offenen Auges in der Bremer Amateurtheater-Szene um, trifft man auf eine ungeheure und unerwartete Vielfalt. Man kann sogar ganze Wochenenden von einem Kulturzentrum zum anderen, von einer Schulaula zur anderen tingeln, um sich am Enthusiasmus spielender Buten- und Binnen-Bremer zu erfreuen.
„Im Landesverband der Bremer Amateurtheater sind 25 Bühnen eingetragen“, gibt dessen Vorsitzender, Günter Gräbner, Auskunft. „Davon sind zwei Drittel Plattdeutsche Theater“. Und mehr als ein Drittel habe seine Heimat im Umland.
Die Zentralorganisation ermöglicht den Amateuren den Zugang zu gering subventionierten Fortbildungs- und Schauspiellehrgängen. Außerdem gibt es einen Versicherungsschutz für Verbandsmitglieder. Dennoch gebe es sicher etliche Laienensembles außerhalb des Verbandes, die oft nur zwei, drei Jahre existieren würden, vermutet Gräbner.
Regelrechte Traditionsbühnen gibt es jedoch auch in der Amateur-Szene: Besonders spannend ist die Geschichte des 1946 gegründeten Hanseatenklubs. Er entstand aus den von der amerikanischen Besatzung gegründeten Boys- und Girlsclubs und anderen Gruppen. Deren Funktion: die Jugendlichen demokratisch zu sozialisieren.
Nicht ganz so alt, aber auch pädagogischen Ursprungs: Das Bremer Amateur Theater (BAT), 1992 aus einer Schüler-AG entstanden. Es blickt auf stolze 13 Produktionen zurück – darunter so unvergessliche Theaterereignisse wie der „17. dadaistische Weltkongress“ in der Bremer Galerie des Westens, der zum Millenniumsbeginn standesgemäß „unter ballistischer Berücksichtigung auftretender Ungeschwitter“ stattfand.
Derzeit spielt das gut 20-köpfige Ensemble Jean Cocteau, der den Surrealisten und Dadaisten doch immerhin nahe stand: „Die Höllenmaschine“ ist ein schwerer Brocken, keinesfalls dadaistisches Theater. Vielmehr wird mit amüsanter Naivität drauflosgespielt. Erfrischend ist, dass es nicht einmal einen Ansatz gibt, Professionalität vorzugaukeln. Hinter allem steckt die spielerische Liebe zum Metier, und die vermag manchmal genauso viel auszudrücken wie das beste Schauspielhandwerk.
Es muss ja nicht immer großes Staatstheater sein – diese Aussage weckt ambivalente Gefühle; impliziert sie doch zweierlei: Anerkennung und Abwertung. Manch’ Politiker beispielsweise machte sie sich schon zu Nutze, um gegen angeblich horrende staatliche Theatersubventionen zu argumentieren. Tenor: „Wozu brauchen die Stadttheater oder auch die professionelle Off-Szene soviel Geld, wenn doch…“
Das führe manchmal zu „Animositäten“ zwischen Amateuren und Profis, räumt der Verbands-Chef ein. Dabei ist der Vergleich natürlich abstrus. „Wir sind uns durchaus bewusst, dass wir niemals den Standard eines Profi-Theaters erfüllen können“, so Gräbner, der selbst das Phönix-Theater leitet. Schließlich handelt es sich bei den Amateuren eben um – Amateure. Liebhaber also, die statt für Gage oder Honorar gegen Mitgliedsbeiträge spielen. Man könnte sogar behaupten, Theater wäre für sie ein narzisstischer Selbstzweck.
Ein wichtiger Ansatz der Amateurtheater sei es, „Leute ins Theater zu locken, die das professionelle Theater eher meiden“. ergänzt Gräbner. Dadurch, dass Laien agierten, sinke auch die Hemmschwelle. So erhielten auch „Amateurzuschauer“ wider Erwarten einen Zugang zur Kunst: Vom jungen Landwirt bis zu hin zu Oma und Opa.
Die Liebhaber haben dabei den Vorteil, dass sie nicht zwanghaft um Zuschauer buhlen müssen – im Gegensatz zum „Staatstheater“, das sich auf das so genannte Bildungsbürgertum schon längst nicht mehr verlassen kann. Die Hauptsache ist aber wahrscheinlich, dass viele Menschen gemeinsam etwas auf die Beine stellen, was keiner alleine erreichen könnte.
Groß sind die Unterschiede in der Ausstattung: So nennt der Borgfelder Hanseatenklub ein richtiges Theater sein eigen. Der Holzbau fasst 99 Zuschauer. Und in dem Klub haben ganze Familien ihr mimisches Zuhause gefunden – richtige Liebhaberschauspielerdynastien. Auf seiner mit viel Liebe zum Detail ausgestatteten Bühne kann man exzellentes, intelligent und sensibel in Szene gesetztes Boulevard-Theater erleben. Ein Beispiel: „Franciscas Männer“ von John Graham und Gene Stone. Ein amüsantes Stück, das ohne Herumgepolter, Türen schlagen und Schenkelklopf-Pointen auskommt. Die Schauspieler knien sich in ihre Rollen, haben Spaß an den scharfzüngigen, frechen Dialogen. Ganz wie ihr Publikum. Daniela Barth