Schüler an die Instrumente

Hamburg startet Großinitiative: an 61 Grundschulen lernen alle Kinder ein Musikinstrument. Schwerpunkt liegt bei ärmeren Stadtteilen. Für Eltern entstehen keine Kosten

Der VDS hat im Herbst sechs Forderungen für Jeki erhoben, denen die Schulsenatorin nach Aussage des Verbands auch zustimmte: 1. Jeki soll freiwillig sein. 2. Die Kinder sollen individuell gefördert werden. 3. Das Instrumentelernen soll nach der 4. Klasse weitergehen. 4. Es soll flächendeckend sein und den 5. Musikunterricht nicht ersetzen. 6. Der Jeki-Unterricht soll von qualifizierten Lehrkräften erteilt werden.  KAJ

VON KAIJA KUTTER

Jedes, wirklich jedes Kind in einer Klasse lernt ein Instrument, und am Ende spielen sie zusammen ein Stück. Dass das geht, führte gestern im Rathaus beeindruckend eine Bläserklasse der Heinrich-Hertz-Gesamtschule vor, die mit Trompeten, Posaunen, Querflöte und Saxofon die Nussknackersuite intonierte. Anlass war der Start einer der größten Modellversuche in Hamburgs Schulgeschichte: an jeder vierten Grundschule lernt künftiges jedes Kind ein Instrument seiner Wahl. Bezahlt wird der Versuch, an dessen Ende 2012 10.000 Erst-, Zweit, Dritt- und Viertklässler mitmachen, mit 7,4 Millionen Euro von der Stadt.

„Musik bildet und fördert die emotionale, soziale und geistige Entwicklung“, sagte Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL), die gestern die Liste der 61 ausgewählten Standorte bekannt gab. Beworben hatten sich 89 Schulen. Unter den Erwählten sind zu 80 Prozent Schulen mit niedrigem Sozialindex, es wurden aber aus Gründen der regionalen Verteilung auch Schulen aus wohlhabenderen Stadtteilen bedacht. Dies, so Goetsch, passe „hervorragend zum Konzept der künftigen Primarschulen, weil es dort den Schwerpunkt Musik in Verbindung mit individueller Förderung ermöglicht“.

An eine flächendeckende Ausweitung, wie sie Vorgängerin Alexandra Dinges-Dierig 2007 ankündigte, wird erst mal nicht gedacht. Experten hatten davor gewarnt, dass das methodische Know-How und die Instrumentenlehrer dafür gar nicht ad hoc bereit stünden. Trotzdem fordert der Verband der Schulmusiker (VDS), dass Jeki, wie der Versuch im Kürzel heißt, wirklich für jedes Kind sein muss. „Es ist richtig, jetzt kleiner anzufangen“, sagt der Hamburger VDS-Vorsitzende Hans Jünger. „Aber Ziel muss sein, langfristig jedem Kind dieses musikalische Bildungsangebot zu machen.“

So aber sind es zunächst 3.250 Kinder, die derzeit in den ersten Klassen von fortgebildeten Lehrern eine „Grundmusikalisierung“ erfahren. Kommen sie im Sommer in die zweite Klasse, lernen sie die Instrumente kennen, dafür steht jeder Schule ein Satz im Wert von 10.000 Euro zur Verfügung. In der 3. und 4. Klasse beginnt das eigentliche Instrumentenlernen, bei dem die Kinder die Geräte auch mit nach Hause nehmen dürfen. Auch diese werden neu gekauft. Für Eltern entstehen keine Kosten.

„Der Unterricht findet in kleinen Gruppen statt“, berichtet Jeki-Projektleiter Theo Huss. Eine Schule mit 60 Kindern pro Jahrgang biete sechs Instrumente zu Wahl, darunter Gitarre, Geige, Tasteninstrumente, Holzbläser und Perkussion. Da es sein kann, dass ein Kurs nicht zustande kommt, sollen die Kinder zwei Wünsche angeben. Will ein Kind partout kein Instrument, werde man „pädagogisch klug reagieren und nicht mit der Brechstange rangehen“, sagt Huss.

Erste Erfahrungen der Jeki-Schulen zeigen, dass die Kinder begeistert sind. So zum Beispiel an der Schule Sterntaler Straße in Horn, die 90 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund hat. „Wir bemühen uns seit Jahren, Kindern Musik nahe zu bringen“, berichtet Schulleiter Helmut Rick. Im Rahmen von Jeki habe er nun eine ganze Klasse Blechblasinstrumente ausprobieren lassen. „Die Kinder haben leuchtende Augen bekommen“, berichtet Schulleiter Rick. „Der Wunsch, diese Instrumente zu erlernen, war sehr groß.“