: Licht, mehr Licht
Schattige Wohnungen sind eine Plage. Und was Architekten einmal verbockt haben, lässt sich nur schwer rückgängig machen
Von JAN LUBITZ
Licht ist kaum zu fassen. Das mussten schon die Schildbürger erfahren, als sie versuchten, mit Eimern und Säcken Licht in ihr Rathaus zu bringen – sie hatten beim Neubau die Fenster vergessen.
Und noch immer ringt der Mensch mit dem Licht. Da er sich den Großteil seiner Umwelt künstlich geschaffen hat, muss er dafür sorgen, dass es in ausreichendem Maße in seine Arbeits- und Wohnräume fällt. Für den Architekten bedeutet das den klassischen Zielkonflikt zwischen maximaler Flächenausnutzung und optimaler Belichtung. Die Gebäudetiefe ist darum üblicherweise auf 10-15 Meter beschränkt, um die Innenräume ausreichend mit Licht versorgen zu können. Jeder Bau, der von diesem Maß abweicht, erfordert planerische Tricks. Von denen haben sich Architekten im Laufe der Zeit ein ganzes Arsenal erarbeitet: Atrien, Dreibund, Kammstruktur, Sheds, Lichtschächte und dergleichen mehr.
Aber nur die wenigsten dieser Kniffe taugen auch für die Gestaltung privater Wohnwelten. Bereits in den 1920er Jahren führte darum die Forderung nach „Licht, Luft und Sonne“ zu einer radikalen Entschlackung der Bauformen. Das Streben nach Licht wurde zum zentralen Bestandteil in der Entwicklung der modernen Architektur. Die Baukörper erhielten kubische, stereometrische Strukturen, Fenster wurden zu Fensterbändern oder Wänden aus Glas erweitert. Als Musterprojekt für dieses „Neue Bauen“ gilt bis heute das Bauhaus in Dessau.
Für eine optimale Belichtung gibt es seitdem einige wichtige Regeln, die aber leider nicht immer konsequent beachtet werden. Dazu gehören große, zusammenhängende Fensterflächen, horizontale statt vertikale Fensterformate und die Vermeidung einer Nordausrichtung. Die beste Ausleuchtung von Innenräumen erzielt man dabei durch Zenitallicht, also Oberlichter oder hoch in der Wand angeordnete Fensterbänder. Da diese Fenstertypen aber keinen Ausblick bieten, werden sie im Wohnungsbau kaum angewendet.
Auf diese planerischen Maßnahmen zur Innenraumbelichtung hat allerdings nur Einfluss, wer selber als Bauherr aktiv wird. Zur Verbesserung der Lichtsituation vorhandener Räume sind dagegen Kunstgriffe erforderlich. So können beispielsweise Spiegelelemente dabei helfen, Tageslicht in die Tiefe des Raumes zu transportieren, wie etwa von Lord Norman Foster unter der Kuppel des Reichstagsgebäudes eingesetzt. Allerdings taugt diese Variante der Lichtlenkung nur für den großen Maßstab. Eine Nummer kleiner sind dagegen Glasbausteine für die Wände innen liegender Räume. Aber auch diese Lösung ist im Wohnungsbau schwer umsetzbar und findet darum hauptsächlich in Büroräumen Verwendung.
In den eigenen vier Wänden hilft darum meistens nur Kunstlicht, um Beleuchtungsdefizite auszugleichen oder in den Abendstunden eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Wem normale Glühlampen nicht genügen, deren Lichtspektrum immerhin dem Licht einer Kerze vergleichbar ist, findet mittlerweile Angebote wie Vollspektrumlampen, die oft unter dem Namen Tageslichtlampen vermarktet werden, weil sie ein ähnlich kontinuierliches Farbspektrum besitzen wie Sonnenlicht. Auch unterschiedliche Lichtstimmungen können damit erzeugt werden, simulierte Sonnenaufgänge inklusive.
Unabhängig von solchen individuellen Maßnahmen trägt die bewusste Ausleuchtung von Räumen wesentlich zu ihrer Behaglichkeit bei. Wechselnde Lichtsituationen im Tagesverlauf beeinflussen unseren Biorhythmus, weshalb vor allem in den Abendstunden gedämpftes Licht empfehlenswert ist. Gerade in der dunklen Jahreszeit ist Licht damit ein einfaches Mittel, die kurzen Tage zu verlängern und Räume freundlicher zu gestalten, ohne dass bauliche Änderungen erforderlich sind. Und das Beste daran ist: es genügt in der Regel schon ein Knopfdruck.