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Archiv-Artikel

Migranten, die es nach oben geschafft haben

Der Spätburgunder ist nicht mehr allein: Auch deutsche Rotweine aus internationalen Rebsorten sind Spitze. Einige haben sich in Vergleichsproben bewährt. Die fantastischen vier werden hier vorgestellt

Zwar ist der Spätburgunder das Aushängeschild des deutschen Rotweins. Mittlerweile, nach mehr als 20 Jahren des Experimentierens, werden hierzulande aber auch aus international gängigen Rebsorten wie Cabernet und Merlot beachtliche Weine erzeugt – allen voran in der Pfalz, aber auch in Württemberg und sogar Franken. Bei einer Vergleichsprobe für das Gourmetmagazin Der Feinschmeckerim Herbst des letzten Jahres gefielen mir vier Weine besonders gut. Sie alle können sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen, allen voran Knipsers grandiose Cuvée XR aus dem großen Rotweinjahr 2003.

2003 Cuvée XR, Weingut Knipser (Laumersheim/Pfalz): Eine Weltklasse-Cuvée aus Pfälzer Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot! Dunkles Rubin. Hochfeines Bukett mit süßen roten und dunklen Beerennoten, feiner Rosmarinwürze und dem Aroma einer kross gebratenen Hähnchenhaut. Am Gaumen saftig und reif, mit guter Konzentration und feinem Tannin, leicht süßliche Fruchtnoten, feiner Säurenerv, ausgewogene Textur, ein seidiger, wunderbar herangereifter kraftvoller Rotwein, der sich jetzt genießen lässt, den man aber auch noch einige Jahre lagern kann.

2004 Cuvée X, Weingut Knipser (Laumersheim/Pfalz): Die gleiche Cuvée wie oben, nur ein anderer Jahrgang und nicht ganz so gewaltig in den Dimensionen wie der 2003er. Schönes dunkles Rubin. Gereiftes, ausgewogenes und nobles Bukett mit Noten von Leder, getrockneten dunklen Beeren, Tabak und Pflaumen. Am Gaumen tief und saftig, mit kleinbeeriger, an rote Johannisbeeren erinnernder Fruchtkonzentration, kraftvoller Körper mit reichlich Fleisch und Blut, markantes Tannin, noch deutliche Holzgeschmacksnoten, dezent animalisch, mit frischem, animierendem Schwung, erinnert entfernt an Bordeaux, erreicht aber (noch) nicht ganz dessen Eleganz. Dennoch ein großer Wein, auf den man noch ein, zwei Jahre warten sollte.

2003 Cabernet Sauvignon „Schwarzes Kreuz“ R trocken, Weingut Rings (Freinsheim/Pfalz): Ein schwarzroter, zum Rand hin granatrot aufhellender Kelch modernen Rotweins! Tiefes, an geschmortes Fleisch und Räuchernoten (Toast!) erinnerndes Bukett. Saftiger, vollfruchtiger Gaumen, tiefe Cassisnoten mit schöner Säurefrische, seidigem Tannin und vorbildlich integriertem Barrique. Ein eleganter, geschliffener Rotwein mit Nerv, der an feine Médocs aus St. Julien oder Graves aus Pessac-Léognan, Hauptsache Bordeaux, erinnert. Ein Geheimtipp!

2005 Cabernet Sauvignon*** Sulzfelder Cyriakusberg, Zehnthof Luckert (Sulzfeld/Franken): Rotwein aus dem sibirischen Franken? Und was für einer! Sehr dunkles Granat bis Schwarzrot. Tiefes, noch stark rauchiges Bukett von frischen dunklen Beeren (Brombeeren). Am Gaumen kräftig, fruchtintensiv und saftig, reif, sehr tiefgründig und komplex, nervig, mehliges, gut integriertes Tannin. Im Finish noch deutlich nach Mokka schmeckend, aber der Wein besitzt genügend Frucht und Körper, in zwei, drei Jahren ein exzellenter, ausgewogener Wein zu werden. Diese Zeit sollte man ihm geben – oder aber Kalifornier trinken. Siegerwein der großen Feinschmecker-Probe.

STEPHAN REINHARDT