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Archiv-Artikel

Für mehr Freude am Gebären

Der familienfreundliche Busfahrplan ist da: Lokale „Bündnisse für Familie“ sollen das Leben für Eltern erleichtern. Auf die Wirkung der Initiative von Familienministerin Renate Schmidt darf man gespannt sein – denn Geld gibt es nicht

AUS DORTMUND NINA MAGOLEY

In keinem Land der Welt leben mehr Erwachsene ohne Kinder als in Deutschland. Weltweit belegt Deutschland mit seiner Geburtenrate einen der letzten Plätze. Die Deutschen wollen keine Kinder mehr. Nach Auffassung der Bundesregierung liegt das hauptsächlich an einer immer weniger kinderfreundlichen Umwelt.

Eine neue Initiative der Bundesfamilienministerin Renate Schmidt soll das ändern: In „lokalen Bündnissen für Familie“ sollen sich Gemeinden, Wirtschaftsverbände und soziale Organisationen zusammenschließen, um „nach unkonventionellen Lösungen“ für ein familienfreundlicheres Umfeld zu suchen. Dabei gehe es nicht nur um flexible Arbeitszeiten und bessere Kinderbetreuung, auch „familienfreundliche“ Busfahrpläne und Öffnungszeiten öffentlicher Einrichtungen könnten der Gebärfreudigkeit der Deutschen neuen Anreiz geben. In Dortmund feierte Renate Schmidt gestern den erfolgreichen Start der Initiative, und sie sprach bereits von einem „Boom“: 48 Bündnisse hätten sich seit Anfang Januar gebildet, „täglich können es mehr werden“.

Dabei funktioniert das Konzept in erster Linie durch Animation. Ein „Servicebüro“ der Bundesregierung bietet Gemeinden Beratung, Coaching und Tipps zur Vernetzung untereinander. Alles Weitere hängt von der „Arbeit und Fantasie“ der beteiligten Gemeinden ab, Geld gibt es nicht. Die Kommunen sollen überprüfen, „ob Kreisverkehre oder Fußballstadien wichtiger“ seien als Kindergartenplätze, und nach Kooperationspartnern auch in der Wirtschaft suchen. „Trendwende“ heißt das im Sprachgebrauch des Ministeriums: „Von einer rein finanziellen Förderung hin zu einer Familienpolitik, die Familien hilft, ihre persönlichen Lebensvorstellungen verwirklichen zu können.“

Doch mit welchen Mitteln – finanziellen und ideologischen – manche ostdeutsche Gemeinde solch hehre Vorstellung umsetzen soll, fragt Jost Schönfelder vom Leipziger Kinderschutzbund. Bei leeren Kassen, erklärte er freimütig, freue sich der Leipziger Stadtkämmerer „über jedes Kind, das nicht geboren wird“. Ähnlich sieht es aus im brandenburgischen Ludwigsfelde. Mit den Aktivitäten der Gemeinde wirbt das Bundesfamilienministerium als besonders positives Beispiel. Schon lange vor dem Start der Bundesinitiative hatten dort MitarbeiterInnen aus verschiedenen sozialen Einrichtungen einen Arbeitskreis gegründet, um den drohenden sozialen Verfall ihrer Stadt aus eigener Kraft – nach Feierabend – aufzuhalten. Die Umbenennung in „lokales Bündnis“ war für die ehrenamtlich engagierten Frauen auch mit der Hoffnung verknüpft, von der Bundesregierung die dringend notwendige finanzielle Unterstützung zu bekommen. Doch Geld ist in dem großen Projekt nicht vorgesehen. Immerhin gehe es um ideelle Unterstützung, interpretiert Anett Reschke von der Ludwigsfelder Kinderbetreuungs- und Informationszentrale nun tapfer. Reschke gehört zu den Gründerinnen der Initiative. Neben der Sorge um Frauenhaus und Krippenplätze will das Bündnis auch die Unternehmen am Industriestandort Ludwigsfelde animieren, mit flexibleren Arbeitszeiten junge Familien vom Verlassen der Stadt abzuhalten. Das Servicebüro der Bundesregierung sei sehr nützlich bei der „Prozessberatung“ und der Vernetzung mit anderen Städten, sagt sie. Dennoch: „Wenn wir nicht bald irgendwo einen Geldtopf finden, geht gar nichts mehr.“

Als Familienbeauftragter der Stadt Köln, die ebenfalls restlos pleite ist und gerade die härtesten Sozialkürzungen seit Ende des Zweiten Weltkriegs hinter sich hat, warb Peter Hoffstadt für den ideellen Wert der Initiative: Wenigstens würde so die dringend erforderliche gesellschaftliche Debatte in Gang gebracht. In einer Umfrage hatte die Stadt ermittelt, dass die „mangelnde Akzeptanz“ von Kindern im öffentlichen Raum bei Kölner Familien als Hauptproblem des Stadtlebens gilt. Wie das ohne finanzielle Unterstützung anders werden soll, weiß er allerdings auch nicht.