Handel drückt auf Tränendrüse

Auf der gestrigen Jahreshauptversammlung der IHK mittleres Ruhrgebiet war das Wehklagen groß – Beschwerden über die langsame Politik, doofe Gewerkschaften und kaufunlustige BürgerInnen

aus BOCHUMANNIKA JOERES

Die Wirtschaft im Ruhrgebiet dümpelt vor sich hin. „Von einer allgemeinen Aufbruchsstimmung kann noch keine Rede sein“, sagte Tillmann Neinhaus am Mittwoch auf der Jahreshauptversammlung der Industrie- und Handelskammer mittleres Ruhrgebiet. Der IHK-Geschäftsführer sagt, revierweit seien 39 Prozent der UnternehmerInnen unzufrieden mit ihrer Situation. „Wir sind alle sehr stark frustriert“, klagt Neinhaus, und findet auch gleich den Schuldigen. „Dieses Fortschrittbremsen, dieses ganze Hickhack der Bundesregierung hat die Wirtschaft verunsichert.“ Die Agenda 2010 müsse endlich restlos umgesetzt werden.

Nach einer Befragung von 400 Unternehmen in Bochum, Witten und Herne wollen 40 Prozent in den kommenden Monaten weniger investieren, im Januar waren es noch 26 Prozent. Besonders die Bau- und Elektrobranche ist pessimistisch, Thyssen-Krupp leidet an den hohen Weltpreisen für Stahl. Einzig die Automobilbranche glaubt an einen Aufschwung: Das liegt vor allem am Bochumer Opel-Konzern, der in diesem Jahr seine Produktion auf den erfolgreichen Astra Kombi umstellen wird. Impulse erwartet die IHK mittelfristig von der EU-Erweiterung. Durch den freien Warenverkehr würden sich die Absatzchancen verbessern. Auf Grund des hohen Investitionsbedarfs der Beitrittsländer dürften davon vor allem die im IHK-Bezirk Bochum stark vertretenen Investitionsgüter-Hersteller profitieren, seufzt Neinhaus.

Dabei sitzt das größte Problem der Ruhrgebiets-Wirtschaft in der Region selbst: „Aufgrund der hartnäckigen Kaufzurückhaltung der Verbraucher kommt der Einzelhandel auf keinen grünen Zweig.“ Bessere „wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen“ sollen den VerbraucherInnen das Geld aus der Tasche locken. „Sie sind auch alle tief, sehr tief verunsichert, wann denn die Reformen alle kommen.“, sagt Neinhaus.

Ganz besonders wütend ist die IHK auf die drohende Ausbildungsplatzabgabe. „Die Politiker wollen offenbar bei Linken und Gewerkschaften lieb Kind machen“, wettert IHK-Präsident Gerd Pieper. Er gibt zwar zu, dass in seinem Bezirk im vergangenen Jahr nur 2.200 von 4.000 ausbildungsfähigen BetriebenLehrlinge beschäftigten. Aber die würden sich bei einer Zwangsabgabe nur freikaufen, prognostiziert Pieper. Schließlich sei die Umlage immer noch günstiger als die Azubis. Außerdem glaubt der Unternehmensvertreter, dass sich das Potenzial noch ausschöpfen lasse. „Wir beschäftigen extra drei Leute, die bei den Unternehmen Klinken putzen und für Ausbildung werben“, sagt der IHK-Präsident.

Pieper kündigt an, dass die nordrhein-westfälischen Handelskammern aus dem seit 1995 existierenden Ausbildungskonsens NRW ausscheiden, falls der Bundesrat die Ausbildungsumlage beschließen sollte.