Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Bereits mit seinem ersten Tonfilm, dem Antikriegsdrama „Westfront 1918“ (1930), erwies sich G. W. Pabst als ein Meister des neuen Mediums: Die in jenen Tagen enorm schwerfällige Tonfilmkamera erweist sich hier als erstaunlich agil, und den Ton verwendet Pabst vor allem zur Verdichtung der grausigen Atmosphäre in den Schützengräben. Viele Freunde machte sich Pabst in den politischen Wirren der Weimarer Republik mit seinen engagierten Filmen allerdings nicht: Für die politische Rechte war er der „rote Pabst“, dessen Aufrufe zu Pazifismus und Völkerverständigung ihr unerträglich war, die politische Linke hingegen monierte einen Hang des Regisseurs zum Melodrama.
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Die Freiluftsaison ist eröffnet, man spielt die Klassiker: Der internationale Durchbruch gelang Michelangelo Antonioni 1960 mit „L’Avventura“, einem kontrovers diskutierten Werk, in dem eine der Hauptpersonen nach einer halben Stunde auf mysteriöse Weise aus der Handlung verschwindet und – ohne dass ihr Verbleib je geklärt wird – auch niemals wieder auftaucht. Die sinnlose Suche nach der verschwundenen Frau, die deren Verlobten schließlich mit ihrer Freundin Claudia (Monica Vitti) zusammenbringen wird, ist ein Sinnbild für die Situation des modernen Menschen: bindungslos, unsicher und voller Angst vor den Veränderungen ihrer Umwelt stehen Antonionis Protagonisten in den urbanen Betonwüsten. Die perfekte Schauspielerin für seine ästhetisierten Sinnkrisen fand Antonioni in Monica Vitti: Kühl, rätselhaft und neurotisch erscheint die Aktrice nicht nur in ihrem ersten von vier Filmen mit dem italienischen Meisterregisseur.
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Das Filmmuseum Potsdam zeigt dieser Tage eine dem Schauspieler und Regisseur Sean Penn gewidmete Filmreihe. Eine seiner besten Rollen hatte Penn in Oliver Stones schmutzigem kleinen Krimi „U-Turn“: Als abgewrackter Kleinkrimineller, der auf der Flucht vor Schuldeneintreibern wegen einer Autopanne in einem Wüstenkaff in Nevada hängen bleibt, wird er von einem fiesen Ehepaar alsbald in ein Film-noir-würdiges Mordkomplott verwickelt. Penn spielt seine Figur als unsympathischen und unverbesserlichen Großkotz, den der Film sogleich mit ziemlich bösem Humor gründlich auseinander nimmt. Alles läuft für ihn schief: Nicht allein, dass er in dem Komplott der Dumme ist, als Running Gag muss er sich auch noch dauernd mit dem einzigen Halbstarken des Ortes prügeln. Zudem kommt er aus dieser Kleinstadthölle nicht mehr heraus, weil der einzige Automechaniker des Ortes ihn als Goldmine betrachtet und den Wagen nicht repariert, sondern in seine Einzelteile zerlegt. Das Finale ist ein zeitgemäßes Remake des Schlusses von Erich von Stroheims „Greed“: Mitten in der Wüste darf der angekettete Penn seinem Ende entgegenfluchen. Mitleid muss man als Zuschauer allerdings nicht haben, dazu ist diese Demontage des amerikanischen Traums von Geld und Erfolg viel zu bitter-süß und amüsant. LARS PENNING