: Überwachung ist der Preis
Das Neuköllner Internetcafé HellNet protokolliert alle Bewegungen der User im Netz. Und kann damit nachweisen, dass an seinen Rechnern nicht nur gespielt wird. Auch wenn hier nachmittags auf den meisten Rechnern geballert wird
„Schade“, kommentiert der Internetcafébetreiber Alexander Lau die gestrige Gerichtsentscheidung. Er hätte sich gewünscht, dass das Oberverwaltungsgericht alle Internetcafés wie die Internet-Factory zu Spielhallen erklärt: „Das hätte die Konkurrenz vernichtet“, sagt Lau, der bei der Internetcafékette HellNet für Marketing und Außenkommunikation zuständig ist.
HellNet hat einen großen Marktvorteil: Seit drei Jahren setzen die bundesweit fünf Internetcafés eine Software ein, die protokolliert, welche Anwendungen oder welche Internetseiten wie lange auf welchem Rechner aufgerufen werden. Die Listen werden drei Monate aufbewahrt. So kann HellNet jederzeit bei einer Durchsuchung den Behörden nachweisen, dass an den Computern nicht nur gespielt wird: „Die Spiele machen ungefähr 38 Prozent der gesamten Nutzung unserer Rechner aus“, sagt Lau. Die HellNet-Betreiber können dadurch einen „spielhallenähnlichen Betrieb“ in ihren Räumen ausschließen.
Nachmittags um drei kann man solcher Statistik kaum glauben. In dem Neuköllner Internetcafé in den Shopping Arcaden sind nur ungefähr ein Dutzend Rechner belegt. Und an fast allen sitzen Jungs zwischen 14 und 44, die auf dem Monitor schießend oder zaubernd durch eine Fantasiewelt jagen. „Das liegt an der Uhrzeit“, sagt Lau. „Die kommen alle nach der Schule.“ Und dann zählt er auf, was HellNet außer Ballerspielen anbietet: Internetschulungen, Officeprogramme mit Druckmöglichkeit, Premiere-Empfang auf den Monitoren.
Peter*, 44, ist Stammgast. Jeden zweiten Monat kauft er sich ein Monatsticket für 200 Euro. Dann spielt er bis zu 16 Stunden am Tag „Warcraft“ oder „Freelancer“. „Die Rechner hier sind verdammt schnell: 2,5 Megabit pro Sekunde. Das ist sehr, sehr schnell.“ Die Geschwindigkeit hat ihren Preis: Mit 1,98 Euro sind die Gebühren fast doppelt so hoch wie in normalen Internetcafés.
Auch den Jüngeren setzt der Preis eine Konsumgrenze: Ein Vierzehnjähriger erzählt, dass er sich nur eine Stunde pro Tag leisten könne. Zudem müssen Jugendliche eine Einverständniserklärung der Eltern vorlegen. Auf den Rechnern, die sie benutzen dürfen, laufen nur Softversionen der Ballerspiele: „Mit grünem oder gar keinem Blut“, so Lau.
Nach dem Amoklauf von Erfurt gerieten die Internet- und Spielcafés verstärkt ins Visier der Behörden. In den Berliner Internetcafés fanden seit April 2002 rund 400 Durchsuchungen statt. „Wir hatten zum Glück damals schon unsere Software, und konnten die Listen über die Nutzung vorlegen“, erzählt Alexander Lau.
HellNet hatte das Protokollprogramm bereits 2001 entwickeln lassen. „Wir hatten immer wieder Probleme, weil angeblich über unsere Internetcafés Betrügereien mit Kreditkarten gelaufen waren. Einmal erhielt die israelische Botschaft eine Drohung von einem unserer Rechner.“ Nun registriert die Software bei HellNet die Bewegungen der User im Netz, und eine Kamera überwacht die Räume. „Wir haben die Listen, und wir haben die Bilder“, erklärt Lau stolz. Er schätzt den Preis der Software auf 5.000 Euro: „Das sind zusätzliche Kosten, die sich nicht jedes kleine Internetcafé leisten kann.“ WIBKE BERGEMANN