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Archiv-Artikel

„Wir können Türen öffnen“

Das „Mobile Beratungsteam Hamburg“ hat zu Jahresbeginn seine Arbeit aufgenommen. Teamleiter Wolfgang Nacken erklärt, wie er den Rechtsextremismus in der Stadt bekämpfen will

INTERVIEW ANDREAS SPEIT

taz: Herr Nacken, im Oktober musste der Thor-Steinar-Laden in der City schließen, weil die Proteste zu stark waren. Gibt es in Hamburg dennoch zu wenig Courage gegen Rechtsextremismus?

Wolfgang Nacken: Ich denke nicht. Wir sind hier in der glücklichen Lage, dass es eine gut organisierte und viele Menschen und Organisationen umfassende Szene gibt, die sich gegen Nazis zur Wehr setzen. Klar ist aber auch, dass diese Leute an der einen oder anderen Stelle Unterstützung brauchen. Das Mobile Beratungsteam kann auf Krisen, die durch rechtsextremistisches, fremdenfeindliches oder antisemitisches Handeln ausgelöst werden, anders reagieren. Wir können Türen öffnen, Verständnis wecken.

Welche Schwerpunkte werden Sie setzen?

Betroffene und Hilfesuchende erhalten bei uns Unterstützung. Beim Vernetzen geht es darum, + Behörden, freie Organisationen und andere Gruppen zusammenzubringen. Die Beratung muss sich an den Ratsuchenden selbst orientieren. Es bringt ja nichts, wenn ich irgendwo hinkomme und den Leuten erzähle, was sie zu tun haben – und an den Wünschen und Ressourcen vor Ort völlig vorbeigehe.

Wollen Sie ein Krisenteam aufbauen?

Nach einer ausführlichen Erstberatung kommt ein Team zum Einsatz, in dem sich je nach Sachlage unterschiedliche Kompetenzen versammeln.

Was heißt das?

Ein möglicher Fall wäre, dass sich eine rechte Gruppe in einer Schule breit macht. Die Aufgabe des Mobilen Beratungsteams wäre es dann, eine juristische und pädagogische Hilfestellung für den Schulleiter und die Lehrer anzubieten, erprobte Arbeitshilfen zur Verfügung zu stellen und den Kontakt zu Bildungsträgern herzustellen, die ein Projekt oder Ähnliches zum Thema machen. Wir werden auch auf Vereine zugehen, denn die haben kaum die Zeit, sich einen Einblick zu verschaffen, was die Nazis gerade tun. Abgesehen davon ist es nervig, etwas zugeben zu müssen, wenn es nicht mehr zu übersehen ist.

Können sich Opfer rechtsextremer Übergriffe an das Team wenden?

Ja. Allerdings werde ich keine Opferberatung anbieten. Da gibt es in dieser Stadt sehr kompetente Leute.

Muss man, um Antisemitismus zu verhindern, heute auch auf Menschen mit Migrationshintergrund zugehen ?

Im Beratungsnetzwerk, in dem die wichtigsten Behörden und Organisationen versammelt sind, sind ausdrücklich MigrantInnen vertreten. Auch an die Schura, den Rat der islamischen Gemeinschaften, ging eine Einladung.

Noch vor dem Start geriet die Arbeit in der Kritik, weil das Geld schon sehr lange bereitstand, ohne das etwas passierte.

Gut Ding will manchmal Weile haben. Die Zeit war notwendig, um das Konzept mit allen Beteiligten abzustimmen und um Mängel oder Fehler früherer Projekte in anderen Ländern zu vermeiden.

Das Mobile Beratungsteam ist zwischen Sozial- und Innenbehörde angesiedelt. Sind da Konflikte nicht vorprogrammiert?

Nein. Ich habe einen intensiven Kontakt mit der Sozialbehörde, das klappt bereits gut. Auf die Zusammenarbeit mit der Innenbehörde freue ich mich schon, denn da gibt es eine Menge inhaltlicher Überschneidungen.

Bisher betrieb die Innenbehörde bei dem Thema aber kaum eine vorauseilende Informationspolitik.

In der Abstimmung zwischen den beiden Behörden sehe ich kein Problem Letztendlich ist die Ansiedlung aber auch nicht die Frage, es geht schließlich darum, den Rechtsextremismus in unserer Stadt zu bekämpfen.

Mobiles Beratungsteam: ☎ 040 / 428 63 36 25, email: mbt@hamburg.arbeitundleben.de

Hinweis:WOLFGANG NACKEN, 41, Diplompädagoge, war jahrelang in der außerschulischen Jugendbildung tätig, unter anderem bei der evangelischen Kirche. Er schreibt für den „Störungsmelder“, ein Projekt von Zeit Online gegen Rechtsextremismus.