: Die Mörder haben kein Gesicht, aber eine Homepage
Mussab al-Zarkawi, der mutmaßliche Täter, ist seit langem der meistgesuchte Terrorist im Irak. Die ihm angeblich nahe stehende Website wird oft aktualisiert
KAIRO taz ■ „Sie schlachten ihn wie ein Schaf!“, schreit die junge ägyptische Journalistin Reem Nada, wirft den Kopfhörer weg und rennt weinend aus dem Zimmer. Sie hatte sich im Internet auf der Website der militanten Islamistengruppe Muntada al-Ansar das Video heruntergeladen, mit dem Titel „Abu Mussab al-Zarkawi beim eigenhändigen Abschlachten eines Amerikaners“. Bewegungslos starrt sie die ersten Minuten auf den Computer, als die gefesselte Geisel sich am Boden kniend als Nick Berg vorstellt und fünf maskierte Männer eine Erklärung verlesen, in der es heißt: „Jetzt zeigen wir euch, dass die Würde von muslimischen Frauen und Männern in Abu Ghraib nur durch das Blut und Leben anderer ausgelöst werden kann.“ Bei der anschließenden Szene bricht Reem zusammen. Unter markerschütternden Schreien des Opfers und „Allahu Akbar“-Ausrufen der Maskierten wird Berg der Kopf abgeschnitten und anschließend in die Kamera gehalten.
Noch Stunden später sitzt Reem in ihrem Kairoer Büro, immer noch sichtlich unter Schock. „Muslime rufen Gott an, wenn sie ein Tier schlachten. Indem sie bei der Exekution Bergs ‚Gott ist groß!‘ riefen, haben die Mörder den Islam beschmutzt“, sagt sie. Reem ist nicht mehr fähig, an diesem Tag weiterzuarbeiten.
Die arabische Fernsehstation al-Dschasira, ansonsten nicht zimperlich bei der Bildauswahl, hat das Video nicht gezeigt. Die Nachrichtensprecherin berichtet lediglich von der Existenz des Videos. „Das Köpfen zu zeigen kommt aus Gründen des Anstands nicht infrage“, sagt Pressesprecher Jiahd Ballout. Der andere große arabische Fernsehkanal, al-Arabia, zeigt Ausschnitte des Videos, blendet bei der Szene des Kopfabschneiden aus, lässt aber der Ton weiterlaufen.
Ob es sich bei dem maskierten Henker tatsächlich um den Jordanier Abu Mussab al-Zarkawi handelt, ist unklar. Zarkawi steht auf den US-Fahndungslisten ganz oben. Er gilt beim US-Geheimdienst als al-Qaidas Nummer eins im Irak. Auf ihn ist ein Kopfgeld von 10 Millionen Dollar ausgesetzt.
Die ihm angeblich nahe stehende Internetseite Muntada al-Ansar, auf der das Video veröffentlicht wurde, ist in der vorigen Wochen immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Am 22. April erklärten sich dort Anhänger al-Qaidas für eine Autobombe auf das Hauptquartier einer saudischen Antiterroreinheit in Riad verantwortlich. Dabei waren vier Menschen ums Leben gekommen, 148 wurden verletzt. Fünf Tage darauf feierte die gleiche Website einen Selbstmordanschlag in einem Hafen südlich von Basra. Dabei kamen drei US-Soldaten ums Leben. „Lass es die ganze Welt wissen, wir bringen euch Menschen, die den Tod genauso wie das Leben lieben“, verkündete die Internetseite. Neun Tage später wurde sie wieder aktualisiert, nachdem eine Autobombe am US-Hauptquartier im republikanischen Präsidentenpalast in Bagdad explodiert war. Bei dem Anschlag starben ein US-Soldat und fünf Iraker. „Wir können zu jedem Zeitpunkt jeden strategischen Ort des Feindes treffen“, lautete diesmal die Botschaft im Internet. Letzten Freitag wurde dann auf der Homepage ein Kopfgeld von zehn Kilo Gold auf Paul Bremer, den US-Besatzungsverwalter im Irak, ausgesetzt. „Aus Sicherheitsgründen wird die Belohnung erst ausgezahlt, wenn es die Bedingungen zulassen“, heißt es.
Die US-Regierung hat nun zugesagt, alles daranzusetzten, die Mörder Bergs zu fassen. Ob dieses Versprechen irgendwelche Auswirkungen haben wird, ist allerdings fraglich. Zarkawi ist nicht erst seit gestern der meistgesuchte Mann im Irak. KARIM EL-GAWHARY