vorlauf : Diverse Leichen im Keller
„Scherbentanz“ (20.45 Uhr, Arte)
Lautlos gleitet die Edellimousine durch den Nachmittag. Draußen regnet es in Strömen, obwohl der Wetterbericht erst für den Abend Schauer angekündigt hat. Jesko lässt sich vom Wetter nicht beeindrucken, er zweifelt aus gutem Grund am Offensichtlichen. Sein Bruder Ansgar hat den schrägen Modedesigner nach langer Zeit der Trennung wieder eingeladen ins familiäre Inferno. Zur Feier des Tages steht die festliche Übernahme der väterlichen Fabrik an. Der schmucke Erstgeborene mit einer versierten wie attraktiven Krankenschwester an seiner Seite wird das Erbe antreten, Jesko soll immerhin das Leben gerettet werden. Denn er ist an Leukämie erkrankt, Rettung verspricht allein eine Rückenmarkspende der durchgedrehten Mutter.
Auf den ersten Blick wirken die Rollen in „Scherbentanz“ klar verteilt. Hier der zielstrebige Ansgar, der es im Leben zu etwas gebracht hat, dort der fragile, jüngere Bruder, der sich fernhalten muss vom Irrsinn der Vergangenheit, weil er sonst seinen Suizidfantasien nachgibt. Denn zu verbergen haben alle etwas in dieser ehrenwerten Familie mit ihren dunklen Seiten. Der Patriarch Gebhard den perfiden Seitensprung, als seine Frau zur Entbindung im Krankenhaus war. Ansgar, der seine Lebensgefährtin „Zitrone“ in einer Selbsthilfegruppe kennengelernt hat und sie nur schnöde instrumentalisiert. Zum Racheengel und Sympathieträger taugt wiederum Jesko deshalb nur bedingt, weil er zu seinen eigenen Vaterpflichten nur widerwillig steht.
Wie es sich für ein intelligentes Drehbuch gehört, gibt Chris Kraus die tristen Wahrheiten seiner düster-lakonischen Story nur langsam preis. Erstaunlich souverän findet er als Regie-Debütant stilsicher aussagekräftige Bilder und brillante Dialoge, um seine Geschichte langsam und spannend zu entwickeln. Was den Film atmosphärisch dicht macht, sind neben einem klug komponierten Personentableau vor allem die Darsteller dieses sehenswerten Melodrams: An der Seite von Jürgen Vogel, Peter Davor und Nadja Uhl liefern insbesondere Andrea Sawatzki und Margit Carstensen (in der Rolle der Mutter) exzellente Arbeit. RAINER BRAUN