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Archiv-Artikel

„Das Fremde in mir“

Weddinger Kindermuseum „Labyrinth“ erhält CSD-Auszeichnung für Schulprojekt gegen Vorurteile

Friseure sind schwul, Lehrer tragen scheiß Klamotten, Blondinen können nicht Auto fahren, Türken kein richtiges Deutsch sprechen, und alte Leute sind zickig. Ein paar verbreitete Vorurteile, na und? Auch für die Schüler des Friedrich-Ebert-Gymnasiums in Charlottenburg waren es alltägliche Äußerungen. Bis sie im Sommer 2001 am Schulprojekt „(Vor)Urteile“ des Kindermuseums Labyrinth teilnahmen und sich erstmals mit den eigenen Klischees auseinander setzten. Angeleitet von Ursula Pischel, der Verantwortlichen für die Ausstellungskonzepte, suchten die Neuntklässler Blondinen, Friseure und andere Vorurteilsopfer mit der Videokamera auf, um den Wahrheitsgehalt ihrer persönlichenVorbehalte zu überprüfen. Und lernten dabei vor allem sich selber kennen.

Heute wird das „Labyrinth“ für das Anti-Rassismus-Projekt (Vor)Urteile mit dem diesjährigen Zivilcouragepreis des Christopher Street Day ausgezeichnet. Die CSD-Veranstalter werden die „wegweisende Institution“ würdigen, weil sie dem in der Gesellschaft oft verdeckten Rassismus Flagge zeige. „Wir wollen, dass die Kinder offen für Fremdes werden, ihre eigenen Stärken erkennen und so Minderwertigkeitsgefühle abbauen“, erläutert „Labyrinth“-Geschäftsführerin Roswitha von der Goltz das Konzept. Oft seien schon ganz junge Kinder stark geprägt.

Das Projekt halte deshalb schon Materialien und Anregungen für das Vorschulalter bereit. Seit dem Start vor zwei Jahren haben sich bisher mehr als 200 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 16 Jahren auf die Suche nach dem Fremden in sich gemacht oder in ihrer Familie nach bisher unbewussten Erfahrungen mit Migration geforscht. Pischel: „Die Kinder müssen sich zuerst selber wahrnehmen, bevor sie andere sehen und akzeptieren können.“

In dem Kinderparadies in der ehemaligen Zündholzfabrik werden jedoch nicht nur schlecht gekleidete Lehrer gefilmt. Die Kids können sich auch im Rollstuhlwettrennen messen. Die Ausstellung „Bewegungs(t)räume“ bietet unter anderem die Möglichkeit, sich spielerisch mit Behinderungen auseinander zu setzen. Ob die Kids waghalsige Stunts mit dem Rolli bestehen, über Hindernisse brettern oder sich gegenseitig mit Krücken ein Bein stellen – wichtig ist der Kontakt und „dass man auch mal eine Schwelle überwindet, wie in einen Rollstuhl zu steigen“, begründet Goltz.

Neben den interaktiven Mitmachausstellungen bilden verschiedene mobile Schulprojekte einen zweiten Schwerpunkt des Weddinger Kindermuseums. Fünf Festangestellte und 45 freie Mitarbeiter, die die tobende Schar pädagogisch betreuen, setzen dabei vor allem auf die Nachhaltigkeit ihrer Angebote. „Wir verstehen uns als Impulsgeber und möchten Pädagogen, Eltern und Erzieher dazu anregen, unsere Ideen weiterzuentwickeln“, sagt Geschäftsführerin Goltz. Für 30 bis 50 Euro können Interessierte so genannte Kofferversionen der Ausstellungen ausleihen und die verschiedenen Themen wie Toleranz, Bewegungsentwicklung oder gesunde Ernährung über mehrere Wochen mit den Kindern in ihrer Einrichtung bearbeiten.

Am morgigen Sonntag verabschiedet sich das Projekt „Bewegungs(t)räume“ mit einem großen Sommerfest, doch die nächste Aktion steht bereits in den Startlöchern: Die Märchenausstellung „Rapunzel und der gestiefelte Hänsel“ für Kinder zwischen drei und neun Jahren beginnt schon am 8. Juli.

BEATE WAGNER

Labyrinth Kindermuseum, Fabrik Osloer Straße 12, 13359 Berlin, Tel.: 49 30 89 01, www.kindermuseum-labyrinth.de