: Was die Stadt satt macht
Trotz weit verbreiteter Zweifel: Die Currywurst beherrscht weiter die Republik. Ihre Entdeckerin Herta Heuwer aus Berlin erhält jetzt eine Gedenktafel in Charlottenburg
„Gehse inne Stadt, wat macht dich da satt, ’ne Currywurst.“ Findet wenigstens Herbert Grönemeyer. Für Barbara John, als Migrantenbeauftrage natürlich lange Jahre im Schawarma- und Kebap-Milieu unterwegs gewesen, steht dagegen eine andere fettige Leckerei auf Platz eins: „Mit Sicherheit gilt die Liebe der Berliner dem Döner, die Currywurst hat ihre Spitzenstellung längst verloren. Hier hat sich das Bessere durchgesetzt – so ist es bei Integration.“ Während also mancher noch kulturbedingt über die Bedeutung der Currywurst streitet, steht für andere längst fest, dass wir in einer Curry-Republik leben. Kenner fragen angesichts der zweifelhaften Wurstbuden-Wahl Schröders nur noch kritisch: „Wie soll ein Kanzler, der einen so schlechten Geschmack hat, eine gute Politik machen?“
Doch das mit dem Geschmack ist natürlich mehr als subjektiv, letztendlich beantworten könnte das nur eine und die ist seit 1999 tot. An einem regnerischen Septembertag im Jahre 1949 soll Herta Heuwer das erste Mal die entscheidenden Bestandteile zu einer Currysoße gerührt haben. In ihrem Imbiss Kantstraße/Kaiser-Friedrich-Straße schüttete sie etwas Paprika und Pfeffer zusammen und kippte einen kräftigen Schuss Curry dazu. Dazu einen Knacker und fertig war die Currywurst. Und weil diese Frau am kommenden Montag 90 Jahre alt geworden wäre, errichtet ihre Nichte Brigitte Böhme dieser Tage eine Gedenktafel an der historischen Straßenkreuzung. Verkauft sich diese scharfe Mischung doch inzwischen über 800-Millionen-mal jährlich, allein in der Curry-Hauptstadt finden 70 Millionen gut gefüllte Pappteller ihre hungrigen Abnehmer. Doch das „Curry“ ist heute nicht mehr das gleiche wie damals. Denn Budenbesitzerin Heuwer ließ sich ihre Chillup-Soße zehn Jahre nach dem ersten Mischen deutschlandweit patentieren und hütete das Mischungsrezept wie Coca-Cola seine Brauseanleitung.
Zwar erheben noch andere Anspruch auf die Erstmischung, so machte etwa der Schriftsteller Uwe Timm in seinem Roman „Die Entdeckung der Currywurst“ eine Hamburgerin zur Entdeckerin. Sie soll auf der Treppe gestolpert sein, in der einen Hand Curry, in der anderen Ketchup. Am Fuß der Steige habe sich die kleckernde Chose schließlich zur ersten Currysoße vermengt. Doch für Herta Heuwer war das niemals eine ernst zu nehmende Konkurrenz, sie sagte stets: „Ich habe das Patent, und damit basta.“
Und noch jemand hatte ein Patent auf eine „richtig leckere Currywurst“ beantragt. Im Juni letzten Jahres meldete Greenpeace ein Verfahren zur Herstellung von Currywürsten an und beanspruchte ein Patent auf alle „Würste mit Sauce“. Diesmal jedoch ging der Antrag nicht beim Deutschen Patentamt ein, sondern bei der übergeordneten europäischen Behörde. Anhand der viel verspeisten Currywurst wollte die Umweltorganisation aufzeigen, „was passiert, wenn im Patentgesetz nicht mehr zwischen Entdeckung und Erfindung unterschieden wird“. So wollte sich Greenpeace „mit demselben Recht, mit dem Firmen Patente auf Gene beanspruchen, die sie lediglich entdeckt haben“, die Rechte an der Currywurst sichern und damit die europäische Patentpraxis anprangern. Der Antrag wurde von Greenpeace nicht weiterverfolgt, und trotz Currywurst als prominentem Helfer ist eingetreten, was die Umweltschützer befürchtet hatten. So hat der amerikanische Konzern „Monsanto“ ein Patent auf Genweizen und alle nachfolgenden Backwaren erteilt bekommen. Da geht man doch wirklich lieber zum nächsten Imbiss und bestellt „einmal scharf mit Darm“. MAX HÄGLER