: Später Start
In Österreich erwacht das Interesse an der Windkraft. Einspeisevergütung nur mäßig
Der Bewusstseinswandel kam spät. „Vor fünf Jahren mussten wir noch diskutieren, ob es in Österreich überhaupt genug Wind gibt“, erinnert sich Gerhard Ulz vom Landesenergieverein Steiermark. Viele Menschen in der Alpenrepublik wollten einfach nicht an die heimischen Potenziale der Windkraft glauben. So war Ende 1995 in Österreich noch nicht einmal ein Megawatt Windkraft am Netz.
Natürlich waren die Fakten auch vor Jahren längst bekannt: Im Osten des Landes gibt es Gebiete, die sind so windreich wie Standorte zehn Kilometer hinter der norddeutschen Küste. Weil aber praktische Erfahrungen fehlten und alle guten Argumente bis etwa Mitte der 90er-Jahre nur graue Theorie waren, konnten die Bedenkenträger lange Zeit ihre Sicht der Dinge verbreiten.
Das ist vorbei. Nachdem in den vergangenen Jahren auch in Österreich einige Windkraftanlagen errichtet wurden – und sich seither erwartungsgemäß sehr gut bewähren –, schwand die Skepsis im Lande. „Da sind wir heute in der Tat ein ganzes Stück weiter“, weiß Windexperte Ulz. Entsprechend erwarten Kenner der Branche für die kommenden Jahre einen deutlichen Ausbau der Windkraft.
Zum Jahresende 2002 waren etwa 170 Anlagen mit 150 Megawatt Leistung am Netz – dreimal so viel wie Ende 1999. Die Windkraftwerke erzeugen nun 320 Gigawattstunden im Jahr und decken damit 0,6 Prozent des nationalen Strombedarfs.
Das ist natürlich noch meilenweit entfernt vom vorhandenen Potenzial. Trotzdem gibt sich die österreichische Bundesregierung zögerlich, wenn es darum geht, den Windstrom voranzubringen. Zwar wurde im Juni vergangenen Jahres das Ökostromgesetz erlassen, wonach bis zum Jahr 2008 der Anteil der „neuen“ erneuerbaren Energien (also ohne die traditionelle Wasserkraft) auf vier Prozent erhöht werden soll. Erklärtes Ziel ist es außerdem, dass die Hälfte davon die Windkraft bringen soll (was einem Zubau von 500 Megawatt in den kommenden Jahren entspricht).
Doch ob dieser Fortschritt gelingen wird, ist fraglich, seit die Bundesregierung zum letzten Jahreswechsel die neuen Einspeisekonditionen bekannt gab: Die Vergütung, die mit dem Ökostromgesetz erstmals landesweit einheitlich gilt und für 13 Jahre garantiert ist, beläuft sich auf gerade 7,8 Cent je Kilowattstunde. Viele Länder mussten die Einführung einer bundesweiten Vergütung nun mit einer Verschlechterung der Konditionen bezahlen: Die Beträge für Windstrom hatten zuvor bei bis zu 10,9 Cent je Kilowattstunde gelegen.
Ohnehin blieb die Bundesregierung deutlich hinter den Sätzen zurück, die von Windkraft-Experten als erforderlich angesehen werden. Die Interessensgemeinschaft (IG) Windkraft hatte sich für Vergütungen in Höhe von etwa zehn Cent stark gemacht und zur Vermeidung einer Überförderung das deutsche so genannte „Referenzertragsmodell“ favorisiert: Das Referenzertragsmodell besagt, dass je nach Ertrag am spezifischen Standort die Vergütungssätze nach einigen Jahren gesenkt werden.
Zudem hatte der Windkraftverband Zuschläge für Anlagen in Höhenlagen ab 500 Meter Meereshöhe angeregt, da im Gebirge die Rentabilität aufgrund des hohen Installations- und Wartungsaufwandes oft geringer ist. Auch diese Forderung wurde in Wien abgeblockt. Damit sei die Ökostromverordnung „kein Ruhmesblatt“, sagt Stefan Hantsch, Geschäftsführer der IG Windkraft in St. Pölten.
Doch nicht nur die Vergütungen sind bescheiden – es steckt im österreichischen Modell auch ein fataler Konstruktionsfehler: Man hat den Ausbau gedeckelt. Demnach darf der Strompreis durch die Umlage der Mehrvergütungen nicht um mehr als 0,22 Cent je Kilowattstunde steigen. „Damit werden sich gerade drei Prozent Ökoenergie erreichen lassen, aber nicht mehr“, rechnet Windexperte Hantsch vor. Und frühestens 2005 kann per Ministererlass die Grenze angehoben werden – für den Windexperten eine unverständliche Klausel.
Dass Österreich sich damit auf unverantwortliche Weise selbst bremst, weiß auch Erwin Mayer von Greenpeace Österreich. Zwar ist das Land frei von Atomkraftwerken, seit die Bürger im Jahre 1978 dies in einem Referendum so beschlossen – sie votierten in einer Volksabstimmung gegen die Inbetriebnahme des fertig gestellten Atomkraftwerks Zwentendorf 50 Kilometer westlich von Wien. Und seit 1999 hat Österreich sogar ein Verbot von Atomkraftwerken in seiner Verfassung verankert. Dennoch fließen riesige Mengen Atomstrom ins Land: „In Österreich werden 15 Prozent Atomstrom verkauft“, weiß Mayer. Unakzeptabel sei das, zumal Österreich bei den erneuerbaren Energien „sehr großes Ausbaupotenzial“ habe.
Doch obwohl die neuen Vergütungssätze der konservativ-freiheitlichen Regierung derzeit noch enttäuschen, wächst in der Bevölkerung das Engagement für die saubere Windenergie. Am fortschrittlichsten ist die niederösterreichische Gemeinde Bruck an der Leitha: Sie will ihre rund 8.000 Einwohner schon in naher Zukunft komplett mit erneuerbaren Energien versorgen. So wurde im Frühjahr 2000 ein erster Windpark vor Ort errichtet: Fünf Anlagen mit jeweils 1,8 Megawatt Leistung liefern seither zusammen 18,5 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich – es war dies seinerzeit der größte Windpark in ganz Österreich. Das notwendige Kapital kam von Bürgern der Region.
Längst strahlt das ökologische Engagement von Bruck ins Umland. „Noch vor zwei Jahren waren die Bürgermeister der Region gegenüber der Nutzung der Windenergie sehr skeptisch eingestellt“, erinnert sich Herbert Stava, Umweltstadtrat in Bruck, „heute ist es so, dass am liebsten alle Windparks bauen wollen“. In einer der Nachbargemeinden wird bereits ein Park mit 21,6 Megawatt geplant, in einer anderen immerhin einer mit immer noch 16,2 Megawatt.
Für Österreich sind das aber schon recht große Schritte – zumindest so lange, wie die Bundesregierung in Wien die Chancen der Windkraft so wenig wahrnimmt. BERNWARD JANZING