: Nur noch Details
Der VfB Stuttgart gewinnt gegen Bayern 3:1, das Spielum Trainer Felix Magath aber scheint verloren
STUTTGART taz ■ Es ist faszinierend, wie schnell sich voll besetzte Fußballstadien leeren. Innerhalb von wenigen Minuten überlässt eine lärmende Menschenmasse die Monumente aus Stahl und Beton nichts als sich selbst. Nur der Nachhall des vorangegangenen Spektakels bleibt zurück. Gedämpft, wie die Erinnerung an längst vergangene Zeiten, unterlegt der Soundtrack des gerade Erlebten im Geiste des Verharrenden die bizarren, weil wie in Zeitlupe wahrgenommenen Bilder einer Kehrausstimmung. Erst der Tritt eines eifrigen Ordners an einen Pappbecher und das damit verbundene Klappern zieht einen jäh wieder zurück in die Realität.
Der Jubel, den am Samstag die Fans des VfB Stuttgart unter den 48.800 Zuschauern im Gottlieb-Daimler-Stadion nach dem 3:1 Sieg ihres VfB gegen Bayern München entfachten, war so laut und mächtig, dass er noch lange nachhallte und unwillkürlich die Erinnerung an die großen Siege des Herbstes rief, die Festtage in der Champions League, die die jungen und wilden Helden von den Roten aus Bad Cannstadt zu Himmelsstürmern werden ließen. Der stolze Präsident Erwin Staudt träumte damals davon, den Bayern zu trotzen und den VfB langfristig zum Rivalen auf Augenhöhe zu hieven. „Ich sehe keine Grenzen für diese Mannschaft“, meinte zu jener Zeit auch Felix Magath, der Trainer dieser neuen deutschen Spitzenmannschaft, die aus der Not heraus geboren wurde. Mittlerweile stellt der VfB die halbe Nationalmannschaft, die Protagonisten treten in Werbespots im Fernsehen auf, die „Marke VfB“, von der der ehemalige IBM-Manager Erwin Staudt gerne redet, steht in Zeiten der Agonie für jugendlichen Aufbruch.
Doch diese Marke ist nicht stark genug, um in der Realität des globalisierten Haifischbeckens Fußball den Großen zu trotzen. Dies muss Erwin Staudt in diesen Tagen schmerzlich feststellen. Selbst als er letzte Woche den Österreicher Walter Schachner als Erben Magaths ins Spiel brachte, sollte der tatsächlich Hitzfeld-Nachfolger bei den Bayern werden, blieb es ein netter Versuch, das Heft des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen. Als Staudt am Samstag im noblen Hotel am Stuttgarter Schlossgarten drei Stunden vor dem Spiel mit den Bayern-Größen Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß speiste, beschlich ihn jedenfalls das sichere Gefühl, Felix Magath bereits an die Bayern verloren zu haben. „Ich spüre das starke Interesse an Magath aus dem Umfeld der Bayern“, sagte Staudt nach der Henkersmahlzeit und fügte kleinmütig hinzu: „Magath will einen Verein trainieren, mit dem er hoch hinaus kann.“
Magath seinerseits zog nach der Partie Vollspann ab. Als er in der Pressekonferenz gefragt wurde, ob dies sein letztes Heimspiel im Daimler-Stadion gewesen sei, sagte der Mann, dessen Vertrag bis 2005 läuft: „Das kann ich nicht beantworten.“ Es sind Antworten wie diese, die den einstigen Schwaben-Messias in der Gunst der Fans sinken lassen. Nach einer SWR-Umfrage wollen nur noch zwei von drei Befragten, dass Magath in der nächsten Saison Trainer am Neckar bleibt. Die Fans sind das Gezetere leid, auch wenn am Samstag kein Pfiff und kein Transparent gegen Magath im Stadion zu hören oder zu sehen war. Aber was wäre bei einer Niederlage los gewesen?
So aber lässt der klare Sieg nach Toren von Szabics (2) und Kuranyi – bei einem Gegentor von Pizarro – die Chance des VfB auf Platz zwei bestehen – und gleichzeitig den vorzeitigen Abgang Ottmar Hitzfelds bei den Bayern immer wahrscheinlicher werden. Kamen die Aussagen der Bayern-Verantwortlichen in den letzten Wochen schon einer Demontage von Hitzfeld gleich, so glich die Leistung dieses wenig vizemeisterlichen Haufens mit dem roten Trikot einem Armutszeugnis. „Kein Kommentar“ gab der gebeutelte Bayern-Trainer mit Vertrag bis 2005 zu den Tiefschlag-Kommentaren des firlefranzenden Kaisers; den erbärmlichen Auftritt seiner Spieler nannte er einfach nur „enttäuschend“.
Derweil auch Uli Hoeneß bis zum Ende der Saison keinen Kommentar mehr abgeben will, bestätigte Rummenigge immerhin, dass das Thema Magath beim Essen mit Staudt angesprochen wurde. Details könne man nach der Saison besprechen, fügte Staudt hinzu. Ein Detail könnte die Höhe der Ablösesumme sein, denn Magath hat keine Ausstiegsklausel in seinem Kontrakt. Letztendlich, so jedenfalls stellte es sich am Samstag in Stuttgart dar, geht es, wie so oft im Fußball, nur noch ums Geld.
VfB Stuttgart: Hildebrand - Hinkel, Meira (69. Zivkovic), Bordon, Lahm - Soldo (72. Vranjes) - Meißner, Heldt, Hleb (79. Gerber) - Kuranyi, SzabicsBayern München: Kahn - Salihamidzic, Demichelis (59. Kuffour), Linke, Lizarazu (61. Deisler) - Hargreaves, Ballack, Jeremies, Zé Roberto - Santa Cruz (68. Pizarro), MakaayZuschauer: 48.400 (ausverkauft); Tore: 1:0 Szabics (19.), 2:0 Szabics (52.), 3:0 Kuranyi (54.), 3:1 Pizarro (77.)