: Die Angst vorm Minarett
In Hannover tobt der Streit um den Bau einer Moschee. Die guten deutschen Nachbarn wollen das muslimische Gotteshaus nicht. Und betonen, es ginge dabei nicht um Fremdenfeindlichkeit
taz ■ Nein, sie wollen keinen „Glaubenskrieg“. Nein, „Ausländerfeindlichkeit ist schon gar nicht unser Motiv“, sagt Hans-Georg Meyer, der Vorsitzende des Bürgervereins Schwarze Heide. In dieser kleinen Siedlung im Hannoveraner Stadtteil Stöcken tobt derzeit ein Streit zwischen Muslimen und Christen, der jedoch offensichtlich fremdenfeindliche Aspekte hat – auch wenn Meyer das weit von sich weist. Der Stein des Anstoßes: Die Anhänger der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde wollen in der Schwarzen Heide eine Moschee bauen. Das Projekt entzweit die Stadt.
Die Stöckener behaupten mit Inbrunst, eine Moschee passe nicht in die Gegend. Vor allem das Minarett störe – die Schwarze Heide ist eine kleine Siedlung mit Einfamilienhäuschen und rund 1.000 Einwohnern.
Es geht jedoch um mehr als nur baurechtliche Aspekte. Die Buchautorin Hiltrud Schröter behauptet, die Ahmadiyya-Leute strebten die Errichtung „einer islamischen Ordnung mit Scharia-Recht und Kalifat weltweit“ an, die Muslime setzten auf eine „Doppelstrategie aus Anpassung und Machterweiterung“. Dem widerspricht der Islam-Experte Peter Antes von der Uni Hannover: Die in Pakistan verfolgten Ahmadis wirkten „positiv, weil sie einen modernen und ausgeglichenen Islam repräsentieren.“ Hannovers Bürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) sieht das genauso: „Ich bedauere, dass der Konflikt eskaliert und dass eine Baurechtsfrage zum Anlass genommen wird, um eine Moschee zu verhindern.“ Haadaytullah Hübsch, der Sprecher der Ahmadiyya, sagt: „Wir treten für Demokratie und die Gleichstellung von Mann und Frau ein, wir verteidigen humanitäre Werte.“
Seine Glaubensbrüder und -schwestern werden in Pakistan als Ketzer verfolgt, weil der Gründer Mirza Ghulam Ahmad sich selbst zum Propheten machte. Aber – und vielleicht auch deswegen – in Deutschland expandiert die Gemeinschaft. Mittlerweile gibt es hierzulande bereits fünf Moscheen, 16 weitere sind in Planung. Hübsch kann deshalb die Aufregung nicht ganz verstehen: „Es sollte auch in Hannover möglich sein, zu guter Nachbarschaft zu kommen.“
Das scheint fraglich. Im Bauausschuss vorletzte Woche kam es zum Showdown: Nach dreistündiger Debatte mit Rechtsanwälten, Experten, Bürgern und Betroffenen lehnte es der Ausschuss gegen die Stimmen der CDU ab, den Bau doch noch zu verhindern. Eine „Kirche“ auf dem von den Muslimen angepeilten Gelände sei zulässig.
In der vergangenen Woche bekam die Geschichte einen weiteren Dreh. Seit einigen Tagen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen der Muslime aus Hannover. Angeblich soll der Ahmadiyya Mansoor Khalid mit einem Komplizen illegal Pakistanis nach Deutschland gebracht haben. Khalid widerspricht. Doch der Vorwurf steht – und diskreditiert indirekt das Ansinnen der Muslime. Weitere Episoden im Hannoveraner Moscheenstreit dürften folgen.
Der Bremer Abdulkerim Sari kennt das Problem mit den muslimischen Bauten in guter deutscher Nachbarschaft. „Seit dem 11. September ist es fast ganz unmöglich, eine Moschee in Deutschland zu bauen“, sagt der Sprecher der Islamischen Föderation in Bremen zu dem Krach. Aber nicht nur die Angst vor muslimischem Terror ist für deutsche Moscheen-Aversionen verantwortlich. Schon 1994, als mit der Fatih-Moschee Norddeutschlands größtes muslimisches Gotteshaus in Bremen gebaut werden sollte, schlugen die Wogen hoch. Ein Gröpelinger Nachbar sammelte Unterschriften, „parallel dazu gab es die Diskussion, dass vom Minarett aus zum Gebet ausgerufen werden sollte“, erzählt Sari. Um Krach zu vermeiden, entschieden sich die Muslime letztlich, auf die Aufrufe zu verzichten. Das war nicht leicht. „Der Muezzin hat die Funktion einer Glocke“, erklärt Sari. „Man muss sich das nur vorstellen: Was wäre eine Kirche ohne Kirchturm?“ K. Schöneberg