: Roth aus dem Gefängnis attackiert
Die inhaftierte kurdische Menschenrechtlerin Leyla Zana beschuldigt die Menschenrechtsbeauftragte. Roth soll der Türkei ein Ende des Waffenembargos signalisiert haben, falls diese Zana freilasse. Die Grünen-Politikerin weist die Vorwürfe zurück
AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, ist in der Türkei von der prominentesten kurdischen Gefangenen, Leyla Zana, scharf kritisiert worden. In einem offenen Brief wirft die frühere kurdische Abgeordnete Roth vor, sie zum Objekt in einem Handel gemacht zu haben, den sie strikt ablehne.
Zana beschuldigt Frau Roth, diese habe der türkischen Regierung zugesichert, nach einer Freilassung von Leyla Zana könne die Türkei damit rechnen, dass der Boykott von deutschen Waffenlieferungen aufgehoben werde. Für einen solchen Deal wolle sie nicht missbraucht werden. Darüber hinaus bezeichnete sie den fehlgeschlagenen Versuch von Roth, sie im Gefängnis zu besuchen, als reine „Show“, da die deutsche Menschenrechtsbeauftragte keine Besuchserlaubnis hatte und deshalb wusste, dass sie nicht ins Gefängnis gelassen würde.
Claudia Roth hat zusammen mit weiteren Bundestagsabgeordneten in der letzten Woche die Türkei besucht und dabei auch Gespräche mit Ministerpräsident Tayyip Erdogan geführt. Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag zeigte sie sich sehr erstaunt über die Vorwürfe in dem offenen Brief, der an die türkischen Medien geschickt worden war. Gegenüber der taz sagte Frau Roth gestern: „Ich war von dem Brief schon persönlich betroffen.“ Sie kenne und besuche Leyla Zana seit Anfang der 90er-Jahre. „Sie müsste wissen, dass ich keine Waffenverkäuferin bin und schon gar nicht auf ihre Kosten irgendeinen Handel machen würde.“ Auch der vergebliche Versuch, Leyla Zana im Knast zu besuchen, sei keine Show, sondern ein symbolischer Akt gewesen. Man habe vor der Reise in die Türkei eine Besuchserlaubnis für Zana beantragt, diese aber nicht erhalten. Deshalb wollte sie für die Gefangene zumindest einen Blumenstrauß überreichen, „so wie ich das immer getan habe in den letzten Jahren, wenn ich sie nicht besuchen durfte“.
Weiter sagte Roth, im Gespräch mit Ministerpräsident Erdogan sei von einem Delegationsmitglied, dem SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs, einem Mitglied des Verteidigungsausschusses, auch über Waffenlieferungen gesprochen worden, allerdings nur „im Konjunktiv“, und für den Fall, dass die EU mit der Türkei Beitrittsgespräche aufnimmt. Roth habe jedoch ganz im Gegenteil zu dem von Leyla Zana erhobenen Vorwurf sofort klargestellt, dass auch der Beginn von Beitrittsgesprächen kein Blankoscheck für Waffenlieferungen sein würde. Daraufhin habe Erdogan geantwortet, die Türkei brauche keine Waffenlieferungen, sondern Investitionen in Bildung und Zukunftstechnologien. Damit sei dieses Thema erledigt gewesen.
Nach Ansicht von Roth beruht der Brief Leyla Zanas deshalb auf einem Missverständnis. Claudia Roth gehört zu den EU-Politikern, die sich seit langem für die kurdische Politikerin einsetzen. Schon als Abgeordnete des Europäischen Parlaments in den 90er-Jahren hat sie sich für die Menschenrechts- und Demokratiebewegung in der Türkei engagiert und Leyla Zana dabei kennen gelernt. Seit diese 1994 in einem politischen Prozess als Mitglied der kurdischen Guerilla PKK verurteilt wurde, hat Claudia Roth sie regelmäßig im Gefängnis besucht und sich für ihre Freilassung eingesetzt. Claudia Roth vermutet, dass die Vorwürfe damit zusammenhängen, dass die EU-Kommission die Nachfolgeorganisation der PKK, die Kongra-Gel, auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt hat. Dieser Schritt wurde in kurdischen Kreisen heftig kritisiert, weil diese Organisation sich längst vom bewaffneten Kampf verabschiedet habe.