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Archiv-Artikel

Mondfichten für „St. Holz“

Die größte Holzkirche Europas in Clausthal wird mit Holz saniert, das im Winter bei abnehmendem Mond geschlagen wird. Die Niedersächsischen Landesforsten spenden hierfür 50 Fichten

VON REIMAR PAUL

Für die Marktkirche „Zum Heiligen Geist“ in Clausthal-Zellerfeld ist das beste Holz gerade gut genug. Die Niedersächsischen Landesforsten wollen, wie jetzt bekannt wurde, rund 50 Fichten als Baumaterial für die Renovierung von Europas größter Holzkirche spenden. Nicht irgendwelche Bäume, sondern „handverlesene Mondfichten“, sagt der stellvertretende Chef des Forstamtes Clausthal, Ralf Krüger. „Mondphasenholz“, das bei abnehmendem Mond geschlagen wird, gilt als besonders trocken und widerstandsfähig.

Gestern, zwei Tage nach Vollmond, begannen Forstarbeiter mit dem Schlagen der Fichten. „Das Wetter der vergangenen Tage war optimal, um Mondfichten zu ernten“, erklärt Krüger. Die klirrende Kälte habe das Holz gut trocknen lassen. Und damit noch mehr Feuchtigkeit aus dem Holz über die Nadeln entweichen kann, bleiben die Fichtenkronen nach dem Fällen zunächst weiter am Stamm.

Der Lobgesang auf das „Mondphasenholz“ ist keine esoterische Spinnerei. Auch Architekten, Ingenieure und Baufirmen preisen die Qualität von Holz, das im Winter vor Neumond eingeschlagen wird. Es sei nachweislich widerstandsfähiger gegen den Befall von Insekten, dichter und somit tragfähiger.

Züricher Wissenschaftler haben den Zusammenhang zwischen Fäll-Zeitpunkt und Stammdurchmesser untersucht. Sie fanden heraus, dass sich bei abnehmendem Mond der Stammdurchmesser verringert, weil die Säfte zu den Wurzeln ziehen. Weniger Risse seien die Folge. Bei zunehmendem Mond dagegen steigen die Säfte, und Stämme werden dicker.

Das Forstamt Clausthal beliefert die evangelische Kirchengemeinde bereits seit mehreren Jahren mit Holz aus Mondfichten. Einige Bäume seien genau dort geerntet worden, wo schon beim Bau der Marktkirche vor über 350 Jahren Fichten gefällt wurden, erzählt Martina Herzog. Sie liefert aus ihrer Revierförsterei Diedrichsberg zwei Lastwagen-Ladungen Stammholz für die Sanierung des Uhrenturms der Marktkirche.

Die Clausthaler Holzkirche wird seit 2005 für insgesamt mehr als zehn Millionen Euro komplett saniert. Die Arbeiten werden noch mindestens vier Jahre dauern. Für die Renovierung bekommt die evangelische Marktkirchen-Gemeinde in Clausthal Spenden aus ganz Deutschland. So hätten Stiftungen insgesamt 575.000 Euro gegeben, erzählt Dorothee Austen aus dem Kirchenvorstand.

Auch die Verwaltung und der Rat von Clausthal-Zellerfelds sächsischer Partnerstadt Freiberg riefen die Bürger zu Spenden für die Marktkirche auf. Weiteres Geld kommt unter anderem von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und vom Land Niedersachen. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) spendete privat.

Außerdem beteiligen sich viele Einwohner Clausthal-Zellerfelds am Geldsammeln. Mehrere Gemeinderäte spendeten Sitzungsgelder. Der Rotary Club und der Lions Club unterstützen die Renovierung der Kirche durch den Verkauf von „Kirchentalern“. Schulen nehmen bei Kuchenbasaren und Sponsoren-Läufen Geld ein.

Die Marktkirche wurde von 1636 bis 1642 errichtet. Harzer Bergleute, die sich trotz des Dreißigjährigen Krieges in den Erzminen des Mittelgebirges eine reiche Ausbeute erhofften, bezahlten den Bau. Mit 2.700 Quadratmetern Fläche und 17.000 Kubikmetern umbautem Raum ist die dreischiffige Kirche mit ihren fünf Seitenkapellen die größte Holzkirche Mitteleuropas. Sie bietet 2.000 Menschen Platz. Im Volksmund heißt die Kirche auch „St. Holz“.