Schule mit mehr Nachhaltigkeit

In Aachen haben sich zwei Grundschulen für das entwicklungspolitische Projekt „Utropia“ geöffnet. Das zweijährige Unternehmen bringt Kindern Probleme und Möglichkeiten der Globalisierung näher

Die Kinder entwickeln selbst die Idee, viele verschiedene Früchte anzubauen und sie auch regional zu verkaufen

VON ANNA STERN

Dienstag morgen in Aachen-Ost. Das Viertel gilt als sozialer Brennpunkt, hohe Arbeitslosigkeit, hoher Ausländeranteil. 25 Nationalitäten sind allein in der Grundschule Düppelstraße vertreten. Die Garten-AG hat sich im neu angelegten Schulgarten versammelt. Die Kinder umringen Biologin Ina Sukkau, die Koordinatorin des Bildungsprojektes Utropia. Vor ihr stehen zartgrüne Ranken in Töpfen. „Was könnten das für Pflanzen sein?“, fragt sie. „Ein Apfelbaum?“ „Kartoffeln?“ „Bohnen?“ - „Genau, das sind die roten Bohnen, die uns Jorge, der Kaffeebauer, aus Honduras mitgebracht hat. Bei ihm zu Hause essen sie ganz viel davon.“ Jorge haben die Kinder in der „Kaffeewoche“ kennen gelernt. In dieser Stunde werden sie die Schößlinge einpflanzen und gießen.

Bisher betreute nur eine einzige Lehrerin den Schulgarten in der Düppelstraße, doch „für eine allein ist das nicht zu schaffen“, so Konrektorin Ingrid Lechner, „Utropia ist eine ganz großartige Unterstützung und Bereicherung für uns.“ Das Projekt setzt die aktuelle bildungspolitische Forderung des NRW-Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder nach einer „Öffnung von Schule“ um. Das zweijährige Bildungsprojekt für Umwelt und Entwicklung startete im März in zwei Aachener Grundschulen. Veranstalter sind der Aachener Verband des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) und der Aachener Weltladen. Gefördert wird Utropia von der NRW-Stiftung für Umwelt und Entwicklung (SUE). Martina Schaub, Referentin für Entwicklungspolitik bei der SUE, sagt: „Uns überzeugte bei diesem Projekt, dass globales Lernen ganz praktisch passiert.“ Unter globalem Lernen versteht die Stiftung die Verbindung von Umweltschutz und entwicklungspolitischer Arbeit. Diese Verbindung leistet Utropia gleich auf zwei Ebenen: Thematisch wird der biologische Anbau vor Ort verknüpft mit den Produktionsmethoden von Kleinbauern in Entwicklungsländern. Organisatorisch arbeitet eine Naturschutzorganisation mit einem entwicklungspolitischen Akteur zusammen. „Wichtig war uns bei der Förderung, dass das Projekt über zwei Jahre läuft. Die Schulen können sich auf regelmäßige Betreuung verlassen“, so Martina Schaub, „und über die kontinuierliche Arbeit mit Kindern und Multiplikatoren wird ein größerer Kreis erreicht.“

Utropia, darin steckt der Begriff „Utopie“, die Vision einer besseren Welt. Und es klingen die „Tropen“ mit, üppige Vegetation, exotische Früchte, aber auch die Armut der so genannten „Dritten Welt“. Grundidee des Projekts ist, dass nur ein weltweit bewusster und gerechter Umgang mit den Ressourcen der Erde Kindern in Nord und Süd die Chance auf ein gutes Leben gibt. In den schuleigenen Gärten lernen die Kinder, tropische Nutzpflanzen und längst vergessene einheimische Gemüsesorten wie lila Kartoffeln, Guter Heinrich oder Eiszapfen anzubauen. Der Garten kann nur gedeihen, wenn die beteiligten Kinder sinnvoll zusammen arbeiten und Verantwortung für „ihre“ Pflanzen übernehmen.

Die eingeladenen Kaffee- und Orangenbauern, Waldpfleger und Gärtner stammen aus Lateinamerika und Afrika. Ein „Star“ der offiziellen Auftaktveranstaltung am vergangenen Sonntag war „Regenwaldspezialist“ John Dimake aus Togo. In seinen Spielen schlüpften die Kinder in die Rolle von Dorfbewohnern, die von einer Kaffee-Monokultur leben. Fallende Weltmarktpreise und schlechte Ernten führten dazu, dass für Schule und Kleidung kein Geld mehr übrig blieb. Das „Dorf“ suchte gemeinsam nach einer Lösung. Die Kinder entwickelten selbst die Idee, viele verschiedene Früchte anzubauen und sie auch regional zu verkaufen, um auf die Preisentwicklung Einfluss zu haben.